Dialog der Kulturen

Kritik am Extremismus habe er üben wollen, sagt der Regisseur Serdar Akar über seinen Film »Irak – Tal der Wölfe«. Aber Anti-Kriegsfilme sehen anders aus. von constanze letsch

Während der Karikaturenstreit tobt und über Benimmregeln für die westliche Presse diskutiert wird, nimmt es ein türkischer Geheimagent im Alleingang mit der amerikanischen Streitmacht im Nordirak auf, verdrischt hier und da noch einen Kurden und stellt schließlich die türkische Ehre wieder her, rächt den zertrampelten Nationalstolz und rettet die Welt: Zumindest auf den türkischen Kinoleinwänden ist der Kampf der Kulturen schon entschieden. »Kurtlar Vadisi Irak« (Tal der Wölfe) ist nicht nur Action­kino oder bloße Unterhaltung. Die Klischees eines globalen Kulturkampfes und antiamerikanische Ressentiments, die im Film ausgiebig bedient werden, sind verkaufstechnisch genau kalkuliert. Bereits in den ersten drei Tagen lockte der Film, der mit einem Budget von 10 Millionen Dollar der bislang teuerste türkische Film ist, über eine Million Zuschauer ins Kino.

Der Film ist eine Fortsetzung der gleichnamigen Fernsehserie, die bereits seit drei Jahren Millionen von Fernsehzuschauern in ihren Bann schlägt. »Kurtlar Vadisi« zeichnet die Verbindungen zwischen der türkischen Mafia, militanten ultranationalistischen Gruppierungen und den türkischen Geheimdiensten nach, was im Türkischen mit »derin devlet«, dem »tiefen Staat«, bezeichnet wird: Agenten und Killer, die im geheimen Auftrag der Regierung, der Mafia oder beider lästige Gegner aus dem Weg schaffen. Mehmet Ali Agca ist ein Name, der in letzter Zeit in diesem Zusammenhang aufgetaucht ist. Auch Polat Alemdar, der Held in Serie und Film, killt, bombt und entführt für sein Vaterland.

Der Film basiert auf den Ereignissen vom Juli 2003, als US-amerikanische Truppen einen türkischen Militärposten im nordirakischen Süleymaniye übernehmen und 11 türkische Soldaten der dort stationierten Spezialeinheit für zwei Tage festsetzen. Die Bilder, die durch die türkischen Medien gehen, fügen der Beziehung zwischen den langjährigen Nato-Partnern USA und Türkei irreversiblen Schaden zu: gedemütigte türkische Soldaten, die mit Säcken auf dem Kopf von ihren Verbündeten einfach aus dem Irak geschmissen werden.

Die in der Türkei auch als »Rambo-Affäre« bekannt gewordenen Ereignisse stellten den Gipfel einer diplomatischen Krise zwischen den zwei Ländern dar, nachdem die Türkei den USA das Nutzungsrecht von türkischen Militärbasen und das Überflugsrecht zur Eröffnung einer zweiten Front im Irak-Krieg verweigert und sich auch vor dessen Beginn heftig gegen einen Krieg gegen Saddam Hussein ausgesprochen hatte.

2004, ein Jahr später, erschien der Roman »Metallsturm« von dem Bestsellerautor Burak Turna und seinem Co-Autor Orkun Ucar, in dem die US-Hauptstadt Washington dem wütenden Racheakt eines türkischen Geheimagenten zum Opfer fällt: Nach einem Atomschlag liegt die Stadt in Schutt und Asche. Das Buch wurde sofort zum Bestseller, weitere Romane Turnas folgten. Dabei ist seine Umkehrung der Huntingtonschen Theorie des »Clash of Civilizations«, ein Aufbegehren des »Ostens«, Russlands, Chinas und der Türkei, gegen einen von Faschismus, Rassismus und Islamophobie zerrissenen Westen und ein Sieg des moralisch und militärisch überlegenen östlichen Teils der Welt über den im nationalistischen Taumel erstickenden »Westen« das Leitmotiv seiner Erzählungen.

»Kurtlar Vadisi Irak« schwimmt auf dieser Welle. Polat Alemdar macht sich auf, das geschundene türkische Ehrgefühl wieder herzustellen und sich an den Amerikanern zu rächen. Denn, so die Botschaft, weder die Türkei noch einen Türken beleidigt man ungestraft. Obwohl sich die Beziehungen zwischen Ankara und Wa­shing­ton entscheidend verbessert haben, wachsen der Unmut und die Kritik an der US-amerikanischen Militärpolitik, insbesondere im Irak, aber auch an der Bevormundung durch die EU stetig, vor allem bei den Jugendlichen.

Premierminister Recep Tayyip Erdogan, seine Frau Emine und sein gesamtes Kabinett, die den Film noch vor der Premierenfeier zu sehen bekamen, waren begeistert. Bülent Arinc, Präsident des türkischen Parlaments, erklärte: »›Kurtlar Vadisi Irak‹ ist ein extraordinärer Film, der Geschichte machen wird.«

Die Medien sind geteilter Meinung. Während die einen den Film als Meilenstein des türkischen Kinos feiern, warnen andere vor einem Auflodern nationalistischer und religiös-extremistischer Gefühle. Der Drehbuchautor des Films, Bahadir Özdener, sagte: »Unser Film ist eine politische Aktion. 60 bis 70 Prozent der Handlung im Film sind der Wirklichkeit entnommen. Die Türkei und die USA sind Verbündete, aber die Türkei möchte ihren Freunden etwas mitteilen. Wir wollen die bittere Wahrheit ansprechen. Wir wollen sagen, dass das, was im Irak geschieht, falsch ist.«

Der Film verwendet dabei Bilder, die seit Beginn des Irak-Krieges fast täglich durch die Medien gehen: sadistische Folterszenen aus dem Gefängnis von Abu Ghraib, Selbstmordattentate, brennende und zerstörte Dörfer, im Kreuzfeuer getötete Zivilisten, die zerstörten Saddam-Hussein-Statuen.

Sam William Marshall, der namentlich für die gesamte USA steht, ist dabei nur ein Element einer filmischen Karikatur, bei der einem das Lachen im Hals stecken bleibt. Marshall ist nicht nur ein gewissenloser Killer, sondern auch ein christlicher Eiferer, ein radikaler Missionar, ein Kreuzfahrer, der in einer Szene unter dem Jesus-Kreuz schwört, nicht eher zu ruhen, bis der gesamte Nordirak christlich ist. In der Türkei sind Verschwörungstheorien vom Missionseifer radikaler Christen, die die Türkei und die muslimische Welt bedrohen, gang und gäbe.

Eine andere skandalöse Figur im Film ist ein jüdischer Doktor, der im Gefängnis von Abu Ghraib sterbenden irakischen Gefangenen die Nieren herausoperiert, um sie an reiche Kunden in London, New York und Tel Aviv zu verkaufen: ein Nutznießer eines ungerechten Krieges, der selbst jedoch in Sicherheit, im Schutze der kämpfenden Armee agiert und sich bereichert, der klassische Parasit.

Der Stürmer hätte wohl kein krasseres Bild zeichnen können. Doch darüber wurde in keinem größeren Medium diskutiert. Es drängt sich die Frage auf, wie salonfähig antisemitische Hetze in der Türkei eigentlich ist.

In einem Interview mit dem monatlich erscheinenden Kulturmagazin Milliyet Sanat spricht der Regisseur des Films, Serdar Akar, eine renommierte Figur im türkischen Kino, von einem Dialog der Religionen, den »Kurtlar Vadisi Irak« fördern wolle, und von der Absicht, extremistische religiöse Strömungen anzuprangern. Doch die einseitigen und verzerrten Darstellungen des Irak-Kriegs führen das ad absurdum: In »Kurtlar Vadisi Irak« stehen sich zwei Lager unvereinbar gegen­über – Gut und Böse, Ost und West, Islam gegen den Rest der Welt. Nichts Neues also: Falls es die Absicht des Regisseurs war, die Völkerverständigung zu fördern, ist ihm dies jedenfalls gründlich misslungen.