Schlaflos im Rektorat

Seit einem Monat halten Bielefelder Studierende das Rektorat ihrer Universität besetzt. Sie protestieren dagegen, dass Studiengebühren nicht mehr prinzipiell abgelehnt werden. von sven kienscherf

Ein junger Mann mit Dreadlocks hängt lässig in einem Sofa vor der Eingangstür zum Flur A3 der Universität Bielefeld. Jeder, der das Rektorat betreten will, muss an ihm vorbei. Studenten und Journalisten dürfen passieren, der Rektor Dieter Timmermann seit dem 1. Februar nicht mehr. Seither halten Studierende seine Wirkungsstätte besetzt. Vorausgegangen war der Aktion eine öffentliche Senatssitzung im Audimax, das bis auf den letzten Platz gefüllt war. Das Rektorat hatte eine Vorlage eingereicht, in der Stu­dien­ge­büh­ren prinzipiell befürwortet werden. Dem Antrag wurde stattgegeben, nun will das Rektorat konkrete Vorschläge ausarbeiten und erneut zur Abstimmung vorlegen.

Rund 2 500 zahlungsunwillige Studenten bekundeten während der Sitzung ihren Unmut, rund 300 besetzten im Anschluss den Rektoratstrakt. Sie protestierten gegen den Senatsbeschluss und forderten den Rücktritt des Rektors. Timmer­mann habe bereits im Vorfeld in unzulässiger Weise Einfluss auf die Entscheidung des Senats genommen, kritisieren die Studierenden in einer Resolution. So seien die studentischen Vertreter im Senat über die Vorlage des Rektorats zu spät in Kenntnis gesetzt worden.

Der Pressesprecher der Universität, Ingo Lohois, zeigt sich überrascht über die Reaktion der Studenten: »Die Satzung, die das Rektorat erarbeiten wird, ist lediglich die Grundlage für eine weiterführende Debatte, kein endgültiges Dekret.« Die stellvertreten­de AStA-Vorsitzende Susana Elizalde sieht das anders. Der Beschluss sei eine Vorentscheidung. Jetzt gehe es im Senat nicht mehr um eine Abwägung für oder gegen Studiengebühren, sondern nur noch um die Höhe des Beitrags. Das Rektorat wolle 500 Euro pro Semester. »Mit einem Rektor Tim­mer­mann kann es keine vertrauensvolle Zusammenarbeit beim Thema Studiengebühren mehr geben«, sagt Elizalde.

Die Besetzer kämpfen indes nicht nur für die Absetzung Timmermanns und gegen Gebühren, sondern auch um Struktur in ihrem Hauptquartier. Eine Resolutions- und eine Infrastrukturgruppe bemühen sich, zwischen herumliegenden Isomatten, Schlafsäcken, Me­ga­fonen und Transparenten den Überblick zu behalten. Geschlafen wird wenig. Rund 400 Leute würden an den regelmäßig stattfindenden Plena teilnehmen, erzählt Karl Giesecke, einer der Besetzer. »Circa 40 Menschen sind ständig hier«, sagt er nicht ohne Stolz.

Für die Stimmung ist die Kulturgruppe zuständig. Sie organisiert warme Mahlzeiten, Film­vorführungen und Konzerte. Die Moral hoch zu halten ist angesichts der verfahrenen Lage vermutlich nicht immer einfach. In der Sache geht es nicht recht voran. Zwischen dem Rektorat und den Besetzern herrscht Schweigen. Das Rektorat ist nicht gewillt, die Bedingungen der Studenten für neue Verhandlungen zu erfüllen. Diese wollen unter anderem, dass die von ihnen verfasste Resolution mit der Start­seite der Universität verlinkt wird.

Das letzte Aufeinandertreffen der beiden Parteien war handfest. Mitarbeiter von Timmermann wollten Akten aus ihren okkupierten Büros holen, die neuen Bewohner versuchten, das zu verhindern. »Schließlich wollen wir mit der Besetzung die Arbeit des Rektorats behindern«, sagt Giesecke. Daraufhin kam es zu Rangeleien, für die sich beide Seiten gegenseitig verantwortlich machen.

Mitte des Jahres wird es die zweite Abstimmung im Senat geben, dann könnte eine endgültige Entscheidung getroffen werden. In dem Gremium haben die studentischen Vertreter lediglich vier von 22 Sitzen. Überdies scheint das Rektorat darauf zu spekulieren, dass es die protestierenden Jungakade­miker zum Semesteranfang im April wieder an den heimischen Schreibtisch lockt und sie die Isomatte gegen ein gemütliches Bett eintauschen. »Eine Räumung steht nicht auf der Tagesordnung«, sagt Presse­sprecher Lohois gelassen.