Das ist kein Witz

Beim Karneval in der spanischen Exklave Ceuta gewann eine Polizistentruppe mit anti-muslimischen Aufrufen den ersten Platz beim Songwettbewerb. von alfred hackensberger, ceuta

Ceuta ist schon eine seltsame Stadt. Nicht nur als spanische Exklave auf marokkanischem Territorium, eine kleine Stadt mit 70 000 Einwohnern, abgeschottet hinter schwer bewachten, meterhohen Grenzzäunen. Ein vom Festland isoliertes Provinznest, in dem die Zeit stehen geblieben scheint und wo man sich nicht um den Rest der Welt scheren muss. Die neueste Kleidermode der Jugend ist ein kitschig-billiger Abklatsch, so peinlich wie die spanische Schlagermusik, die hier seit Jahren der Hit ist. Die Straßennamen alter Führer der faschistischen Falange sind den Anwohnern nicht einmal ein Schulterzucken wert. Genauso wenig wie in Melilla, der zweiten spanischen Exklave in Marokko, wo man rechtzeitig zum 30. Todestag Francos die frisch restaurierte Statue des Diktators wieder aufstellte.

»Ceuta ist eine rassistische Stadt«, erklärte Maria Antonia Granados, die Leiterin des ärztlichen Notdienstes, im Oktober vergangenen Jahres, nachdem schwarzafrikanische Immigranten die Grenze gestürmt hatten. Sie könne die Menschen in den Bars und Restaurants nicht mehr hören, wie sie so abfällig über die »Neger« sprächen. Nun wurde ihr Urteil erneut bestätigt, sogar noch übertroffen.

Beim Karneval, der auch in Südspanien gerne ausgelassen gefeiert wird, glaubte man offensichtlich, unter dem Schutz der Narrenkappe ungezwungen die »Wahrheit« sagen zu können. Wie die spanische Zeitung El Pais berichtete, gewann bei dem alljährlich am Ende des Karnevals stattfindenden Songwettbewerb eine Polizistentruppe den ersten Preis in der Kategorie »Beste Songtexte«. Unter tosendem Applaus bot die Gruppe mit dem viel sagenden Namen »Die kleinen Hühner mit Haaren an den großen Eiern« ihre rassistischen Verse dar: »Ich suchte in einem Biologiebuch /ob die Türken / Muslime vernünftige Lebewesen sind / aber diese Leute sind wie Rinder/meine Zweifel waren berechtigt / sie sind alle Tiere.« Aus diesem Grund seien die Polizisten gerne »Tierärzte«, da »so viele schreiende Kälber« in Ceuta ein »gutes Auskommen« bedeuteten. Noch geschmackloser wurde es der Lokalzeitung El Faro zufolge, als sie von »Hitlers schlechter Arbeit« sangen, der »mit den Juden die Falschen« erwischt habe, und jeder im Saal wusste, dass in den Gaskammern besser Muslime gestanden hätten.

Bisher wurde über die Entgleisungen der singenden Polizisten in der spanischen Presse und einer türkischen Zeitung berichtet. Als »Rassismus« und »Xenophobie« bezeichneten einige erzürnte Leserbriefschreiber diesen Ausfall in El Faro. Die Oppositionspartei »Demokratische Union der Ceutis« und muslimische Organisationen haben vor Gericht eine Klage gegen die Veranstalter eingereicht, um zumindest eine öffentliche Entschuldigung zu erwirken. Die Veranstalter entschieden vergangene Woche, den ersten Preis so lange zurückzuhalten, bis das Gericht ein Urteil gefällt hat. Am Freitag beteiligten sich 10 000 Menschen an einer Demonstration gegen die Preisverleihung und gegen Rassismus.

Für viele ist unverständlich, wie so etwas unter der offiziellen Schirmherrschaft der Stadt stattfinden konnte. Die Songtexte lagen der Jury bereits vor Beginn des Wettbewerbs vor. Elena Sanchez, die Sprecherin der Behörde, sagte, der Bürgermeister habe »die Texte nicht gekannt, und selbst wenn, nicht einmal er hätte sie zensieren können«.

Die Leiterin des ärztlichen Notdienstes wurde wegen ihrer kritischen Äußerungen zu Ceuta fristlos entlassen. Den singenden Polizisten und den Verantwortlichen der Stadt wird dies sicherlich nicht widerfahren. Nach einem vielleicht wochen- oder monatelangen Prozess müssen sie sich bestenfalls entschuldigen. Man kann sich den Kommentar der polizeilichen Sängerknaben bereits jetzt schon vorstellen: Es war doch Karneval!