Mönche, Massen und Moneten

Die Regierungskrise in Thailand von jörn schulz

Thaksin Shinawatra wollte nicht den Eindruck entstehen lassen, er weiche aus Schwäche zu­rück oder gar, weil er im Unrecht sei: »Es ist nicht so, dass ich nicht kämpfen will. Aber wenn ich kämpfe, verliert die Nation.« Wochen­lang hatten oppositionelle Demonstranten den Regierungspalast belagert. Thaksin ordnete vorgezogene Neuwahlen an, seine Partei gewann die von der Opposition boykottierte Abstimmung am vorvergangenen Sonntag, doch zwei Tage später kündigte er nach einer Intervention von König Bhumibol Adul­yadejes seinen Rücktritt vom Amt des Premierministers an.

Ausgelöst wurde die Massenbewegung gegen Thaksin durch ein Aktiengeschäft, das er ebenfalls als Dienst am Vaterland präsentierte. Dass seine Familienangehörigen die Aktien der Shin Corporation verkauften, sei ein »patriotisches Opfer« gewesen, hatte er im Januar erklärt. Interessenkonflikte zwischen seinen Amts- und Privatgeschäften könne es nun nicht mehr geben.

Daran zweifelten nicht nur Oppositionelle. Steuerfrei kassierte die Familie zur höheren Ehre Thailands 1,85 Milliarden Dollar, die sie nun anderswo anlegen wird. An der ökonomischen Macht des reichsten Clans des Landes ändert sich wenig, zudem war der Moment des Verkaufs günstig. »Die geschäftliche Logik ist unanfechtbar«, urteilte der Economist, denn die Aktien hatten ihren potenziellen Höchstwert erreicht. Das jährliche Wachstum des Handymarkts, der das Hauptgeschäft der Shin Corporation ausmacht, sank in den vergan­genen drei Jahren von 100 auf elf Prozent.

Thaksin wurde aber auch übel genommen, dass ein von Temasek, der Investmentgesellschaft der Regierung Singapurs, geführtes Kon­sortium von seinem patriotischen Opfer profitierte. Bei den Protesten, an denen sich Globa­lisierungskritiker ebenso beteiligten wie buddhistische Mönche, mischt sich die Kritik an der autoritären Regierungsführung des Premierministers und seinen dubiosen Geschäften mit nationalreligiösen Motiven.

Thaksin wird häufig als »Berlusconi des Fernen Ostens« bezeichnet, und sein politischer Stil ähnelt tatsächlich dem seines italienischen Kollegen. Er erwies sich als geschickt in der Manipulation der Medien, benutzte jeden erdenklichen demagogischen Trick im Kampf gegen die Opposition und versuchte, mit ra­biaten Methoden für »law and order« zu sorgen. Der von ihm ausgerufene »Krieg gegen Drogen« kostete etwa 2 700 Menschen das ­Leben.

Andererseits hat er einiges für die Moder­nisierung des thailändischen Kapitalismus getan. Die Politik der »Thaksinomics« umfasste eine Weiterführung des Privatisierungsprogramms, aber auch zahlreiche keynesianische Maßnahmen. Die Regierung begann mit dem Aufbau eines Systems der öffentlichen Gesund­heitsversorgung. Erstmals erhielten Millionen von Bauern die Möglichkeit, Kredite aufzuneh­men. Manche haben mittlerweile kaum mehr bezahlbare Schulden, die meisten Kreditnehmer aber profitierten von den neuen Geschäfts­möglichkeiten und halten Thaksin die Treue. Den Statistiken der Weltbank zufolge sank die Armutsrate zwischen den Jahren 2000 und 2004 von 21 auf elf Prozent.

Insofern wäre ein Vergleich mit dem venezo­lanischen Präsidenten Hugo Chávez vielleicht passender. Anders als dieser hat Thaksin jedoch darauf verzichtet, eine Basisbewegung zu seiner Unterstützung aufzubauen, und statt­dessen versucht, das Land wie ein sozialdemokratischer Unternehmer zu führen. Gescheitert ist er noch nicht. Denn ebenso wenig wie der Aktienverkauf seinen ökonomischen Einfluss mindert, bedeutet sein Verzicht auf die Regierungsführung, dass er nicht weiterhin die Politik seiner Partei bestimmen kann.