»Es geht nicht darum, wer wen mag«

Elke Breitenbach
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Vor dem Parteitag der Linkspartei in Halle am kommenden Wochenende ist ein Richtungskampf ausgebrochen. Der ehemalige Vizevorsitzende Dieter Dehm wirft dem Parteivorsitzenden Lothar Bisky vor, bei den Vorstandswahlen einen »Rechtsruck« einleiten zu wollen. Gerade die Kandidatinnen des »Netzwerks Reformlinke« stehen in der Kritik des langjährigen Sozialdemokraten Dehm. Mit der Berliner Abgeordneten Elke Breitenbach, die der »Reformlinken« angehört, sprach Ivo Bozic.

Der gegenwärtige Machtkampf erinnert stark an den Parteitag von Gera 2002, als sämtliche Reformer abserviert wurden und sich überraschend rund um Dieter Dehm ein Bündnis von ehemaligen SPD-Mitgliedern und orthodoxen Kommunisten durchsetzte. Droht jetzt ein neues Gera?

Nein. Das sehe ich nicht. Ich glaube, dass wir auf dem Parteitag ganz normal den Parteivorstand wählen werden und uns ansonsten über Sachfragen verständigen.

Das dachte man vor Gera auch, und plötzlich stand die ganze Partei Kopf.

Die Mehrheit der Delegierten, das haben Delegiertenberatungen gezeigt, hat keine Lust auf solche Personalquerelen.

Dieter Dehm hat in einem offenen Brief behauptet, Sie hätten zu ihm gesagt, er sei »blöder als ein Stück Scheiße«. Wie kam es zu dieser Eskalation?

Es gab von Dieter Dehm im Vorfeld Mails, in denen er sich über einzelne Personen ausgelassen hat, wie ich finde, auf eine sehr unfaire und persönlich verletzende Art. Als wir uns in einer Kneipe trafen, wollte er mit mir plaudern, und ich habe ihm gesagt, er soll mich in Ruhe lassen. Das hat er nicht akzeptiert, und dann gab es einen Wortwechsel, bei dem dieser Satz fiel.

Worum geht es da inhaltlich bei diesem Streit?

Es geht leider nicht um Inhalte. Dabei sollten wir in der Linkspartei um Sachfragen streiten. Es geht nicht darum, wer wen mag, oder wer nun links, rechts oder in der Mitte ist.

Dehm spricht aber von einem drohenden »Rechtsruck« und meint damit die Kandi­daturen der so genannten Reformlinken, also auch Ihre. Jetzt gibt es auch noch eine »Emanzipatorische Linke« um Katja Kipping, die von Dehm ebenfalls für rechts gehalten wird. Können Sie uns darüber auf­klären, wo rechts und wo links ist in dieser Linkspartei?

Es gibt niemanden in dieser Partei, der sich selbst rechts verorten würde, und ich finde, dass niemand das Recht hat, Leute in diese Kategorien einzuteilen. Ich halte das auch für wenig hilfreich.

Aber um politische Überzeugungen geht der Konflikt schon?

Ja, zum Beispiel um das Thema Regierungsbeteiligungen. Es gibt unterschiedliche Einschätzungen, aber das ist legitim und auch logisch.

Sie sind Sprecherin des »Netzwerks Reformlinke«. Wofür steht diese Plattform?

Die »Reformlinke« hat sich nach Gera gegründet. Uns ging es darum, dass wir konkret Konzepte entwickeln wollen, wie wir als Partei Politik gestalten können, um diese Gesellschaft zu verändern. Für uns wie für die Mehrheit der Partei ist es klar, dass wir uns an Protest und Widerstand beteiligen, dass wir aber auch politisch gestalten wollen, und das sowohl in der Regierungsverantwortung als auch in der Opposition, und dass wir Reformalternativen entwickeln, die über den Kapitalismus hinausweisen.

Droht denn ein langwieriger Flügelstreit, oder sind das alles nur Schein­gefechte vor dem Parteitag?

Es gibt keinen Flügelkampf. In vielen einzelnen Sachfragen gibt es Gemeinsamkeiten und auch unterschiedliche Positionen über alle vermeintlichen Flügel hinweg.

Sie und die von Lothar Bisky als Vizevorsitzende nominierte Katina Schubert gelten nicht nur als »Reformlinke«, sondern noch dazu als »Berliner Senatsflügel«. Was ist denn das schon wieder?

Keine Ahnung, da müssen Sie die fragen, die den Begriff verwenden.

Sie engagieren sich für Antifaschismus, Katina Schubert hat sich immer besonders gegen Rassismus eingesetzt. Stimmt der Eindruck, dass die »Reformlinken« eher Menschenrechtsfragen in den Mittelpunkt stellen und die »Gera-Linken« ausschließlich die soziale Frage?

Diese Debatte müssen wir jetzt dringend führen. Bei den gemeinsamen programmatischen Eckpunkten von Wasg und Linkspartei, die nun vorliegen, liegt der Schwerpunkt auf der sozialen Frage. Freiheits- und Menschenrechte haben einen geringeren Stellenwert. Wir als »Reformlinke« stehen für die Einheit von sozialen und Freiheits- und Menschenrechten.

Wer die Politik der rot-roten Regierung in Berlin mitträgt und konsequent für Regierungsbeteiligungen bis auf Bundesebene eintritt, muss aber schon begründen, weshalb er mehr ist als ein Sozialdemokrat.

Die Linkspartei will diese Gesellschaft und damit auch politische Mehrheiten ändern. Dies beinhaltet dann logischerweise auch die Option auf Regierungsbeteiligungen auf allen Ebenen. Ob man sich an einer Regierung beteiligt oder nicht, muss man immer im Einzelfall entscheiden. Regierungsbeteiligung an sich ist kein Wert, Opposition aber auch nicht. Es kommt darauf an, was man jeweils erreichen kann.

Katina Schubert wird auch vorgeworfen, eine scharfe Kritikerin Oskar Lafontaines zu sein. Es heißt, der Fusionsprozess mit der Wasg sei deshalb gefährdet.

Das ist Quatsch. Es gab von Katina Schubert, aber auch von mir und anderen Kritik an bestimmten Positionen Lafontaines, wie etwa nach seiner »Fremdarbeiter«-Äußerung, aber ansonsten war gerade Katina Schubert eine derjenigen, die die programmatischen Verhandlungen mit der Wasg vorangebracht hat. Der Fusionsprozess ist wichtig. Ich will, dass wir eine neue starke linke Partei gründen können, und dazu gehören inhaltliche Auseinandersetzungen. Jegliche Zusammenarbeit kann nur auf der Grundlage von inhaltlichen Übereinstimmungen funktionieren.

Die Stadträtin Christine Ostrowski, die die Privatisierung der öffentlichen Wohnungen in Dresden mitgetragen hat, will auf dem Parteitag einen Antrag einbringen, der solche Veräußerungen künftig billigt. Stimmen Sie zu?

Den Antrag finde ich falsch. Trotzdem gibt es ein Problem, wenn es um öffent­liche Finanzen geht. Da ist es unsere Aufgabe als Linkspartei, Konzepte zu entwickeln, wie wir erstens die Privatisierung von Institutionen der öffentlichen Daseinsvorsorge verhindern können, und wie wir es zweitens schaffen, diese Betriebe zu erhalten. Beides ist zentral, und das Erste ergibt ohne das Zweite keinen Sinn.

Halten Sie die Berliner Regierungsbeteiligung für ein Erfolgsmodell?

Ich denke durchaus, dass es uns in Berlin angesichts der gegeben Bedingungen gelungen ist, eine sozial gerechte Politik zu machen.

Das sieht die Berliner Wasg ganz anders.

Es gab viele Gespräche mit ihr, und ich finde, dass die Berliner Wasg für die anstehenden Fragen und Probleme keine umsetzbaren politischen Konzepte hat.

Was passiert, wenn es in Halle zum großen Knall kommt, so wie in Gera? Damals drohte die ganze Partei auseinanderzufliegen.

Ich gehe nicht von so einem Knall aus, dafür spricht im Moment nichts.

Genießt Lothar Bisky noch genügend Rückhalt? Dehm wirft ihm ja vor, für den angeblichen Rechtsruck verantwortlich zu sein.

Dehm ist aber der einzige, den ich kenne, der so etwas sagt.