Rettet den Elan!

Kreuzbergerinnen und Kreuzberger setzen sich für den Erhalt der Markthalle am Marheinekeplatz ein. von regina stötzel

Die gute Nachricht vorweg: Der Heimtierbedarf mit seinen äußerst streng riechenden, videoüberwachten Rindergurgeln und Schweinenasen zieht aus der Markthalle am Marheinekeplatz aus! Doch ohne die Gurgeln wird insgesamt mehr als ein Fünftel der Verkaufsfläche leer stehen, und im Bergmannkiez wächst die Sorge, dass die Halle bald so trist aussehen könnte wie die in der Eisenbahnstraße. Deshalb strömten Anwohnerinnen und Anwohner vorige Woche in Scharen in die benachbarte Passionskirche, um dem Schau­spiel »Rettet die Markthalle« beizuwohnen, dem allerdings schon der Elan für ein Ausrufungszeichen fehlte.

Auftrat der freundliche Moderator, Herr Schulz vom Mieterladen am Chamissoplatz. Er stellte die geladenen Gäste auf dem Podium vor und drückte seine ganz besondere Freude darüber aus, dass sogar der Böse erschienen war, ohne den die Veranstaltung nicht nur sinnlos, sondern auch nur halb so unterhaltsam gewesen wäre.

Der Böse, Foidl mit Namen, vom Markthallenbetreiber Berliner Großmarkt GmbH, durfte zuerst sprechen. Er sagte, er sei besonders froh, dabei zu sein und Missverständnisse ausräumen zu dürfen. Er zeigte sich derartig kooperativ, dass Herr Schulz bereits nach wenigen Minuten einen ersten Erfolg zu verzeichnen hatte (dabei blieb es auch): Herr Foidl erklärte sich bereit, ein, zwei kooperative Händler künftig an der Neukonzeption der Halle und der Sanierungsplanung teilnehmen zu lassen. Ein irres Versprechen.

Den Guten gab der Händler, Herr Brünger. Er berichtete mitreißend vom Schicksal seiner Zunft, von geringen Umsätzen und Löhnen, die niedriger seien als Hartz IV. Man weiß, was das heißt. Das Publikum klatsch­te ihm solidarisch und aufmunternd zu. Auch Herr Brünger zeigte sich sehr kooperativ, denn er weiß, dass Blockierer heutzutage keine Schnitte machen, weil ja alle im selben Boot sitzen. Er war so froh, künftig mitkonzeptionieren zu dürfen, dass er vergaß zu fragen, ob das bedeute, auch mitentscheiden zu dürfen.

Den Statisten Herrn Postler, Stadtrat für Wirtschaft, vernachlässigen wir. Für oder gegen was war er noch gleich? Frau Reinauer, die Bürgermeis­terin, wohnt im Kiez und geht sehr gern in die Markthalle. Sie spielte an diesem Abend die Freundin, die leider, leider nichts entscheiden kann, weil die Markthalle ja der Firma von Herrn ­Foidl gehört. Aber Kommunikation und Transparenz und Kreativität fordern, das konnte sie.

Und das konnten auch die Konstruktiven im Publikum. Eine besonders konstruktive Frau mit projektgeschultem Auftreten und leicht asymmetrischem Bioladendamenhaarschnitt meinte gar, »Lan­zen brechen« zu müssen für alle, die sich schon vor der Veranstaltung so sehr kooperativ gezeigt hätten: die Künstler im Kiez, die Händler und nicht zuletzt Herr Foidl. Denn der war wohl einverstanden mit dem Vorschlag, dass andere seine Halle attraktiver machen und seine Umsätze steigern.

Die im herkömmlichen Ausmaße Konstruktiven gaben ihr Wissen kund, dass es so wie bisher nicht weitergehen könne und mehr Licht und Luft in die Halle hineinmüsse. Sie alle wollen dabei sein und kooperieren und auch mitkonzeptionieren und fanden, dass mit dem Abend bereits ein Anfang gemacht sei.

Für die Ausrufezeichen waren allein die Destruktiven verantwortlich. Sie kommentierten fortwährend alles lauthals und riefen: »Wir wollen die alte Halle zurück!« Oder auch: »Und was ist jetzt mit dem Parkplatz?«, und niemand verstand ganz genau, was sie meinten, und das wurde wieder von anderen Destruktiven kommentiert, und manchmal schien es beinahe zum Tumult zu kommen. In diesen Momenten freute sich der größte Teil des Publikums, der vor allem schaulustig war und die Vorgänge im Saal leise mit Nachbarn oder Freundinnen besprach. Weil aber Tumulte ausblieben, gingen sie schnell nach Hause. Und das Schauspiel endete zeitgemäß offen und hinterließ ein leichtes Unbehagen.