Der Kanzler spielt wieder mit

Gerhard Schröder meldet sich zurück: Er fordert zum Dialog mit der Hamas auf. von markus bickel

Gerhard Schröder bekam, was er sich für den ersten offiziellen Auftritt nach seinem Abgang als Bundeskanzler wahrscheinlich gewünscht hatte: Aufmerksamkeit. Dazu genügte eine einzige Aussage. Der Boykott der palästinensischen Regierung durch die EU und die USA sei falsch, sagte Schröder auf einer Veranstaltung des Nah- und Mittelost-Vereins (Numov). »Mit der demokratisch gewählten Hamas-Regierung« müsse »direkt verhandelt werden«. Das haben vor ihm zwar schon andere gesagt. Doch für Politiker aus der Regierung und der Opposition bot sich nach Monaten endlich mal wieder die Gelegenheit, auf Schröder zu schimp­fen.

»Seltsame Allianzen scheinen Gerhard Schröders Spezialität zu werden«, sagte der Vorsitzende der Grünen, Reinhard Bütikofer. Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Matthias Wissmann (CDU), nannte die Äußerungen »unklug und darüber hinaus gefährlich«. Dabei hat Schröder in seiner Kritik an dem Boykott der Hamas nicht einmal jenen Zusatz vergessen, der seit dem Wahlsieg der palästinensischen Islamisten im Januar in kaum einer Stellungnahme europäischer oder US-amerikanischer Diplomaten fehlt: Die Hamas müsse »der Ge­walt abschwören und natürlich das Existenzrecht Israels anerkennen«.

Ob der Boykott der Hamas-Regierung tatsächlich der richtige Weg ist, dieses Ziel zu erreichen, ist fraglich. Schröder war allerdings nicht der erste, der diese Strategie als falsch bezeichnet hat. »Die Hamas wird weniger bereit sein, zu ihrer alten Praxis zurückzukehren, wenn die westliche Finanzausstattung als Druckmittel beibehalten wird«, schrieb bereits im März Robert Malley, der Sonderassistent für Arabisch-Israelische Angelegenheiten unter dem US-Präsidenten Bill Clinton. Er nahm auch an den im Juli 2000 gescheiterten Verhandlungen in Camp David teil und ist zurzeit der Vorsitzende des Nahostprogramms der International Crisis Group (ICG).

Schröder hat während seiner Zeit als Kanzler seine außenpolitischen Handlungen meist als Fortsetzung der Innenpolitik mit anderen Mitteln betrachtet. Seine Ablehnung des Irak-Kriegs trug maß­geblich zum Wahlsieg der SPD im Jahr 2002 bei und wird der rot-grünen Bundesregierung in der arabischen Welt bis heute hoch angerechnet. Für die Vorstandsmitglieder des Numov dürfte das ein entscheidender Grund gewesen sein, Schröder den Ehrenvorsitz zu übertragen, den Hans-Jürgen Wisch­newski bis zu seinem Tod innehatte.

Auch als Schröder im April 2002, auf dem Höhepunkt der zweiten Intifada, die Entsendung deutscher Soldaten im Rahmen einer Uno-Mission zur Beilegung des israelisch-palästinensischen Kon­flikts in Erwägung zog, spielte innenpolitisches Kalkül mit. Die Nahostinitiative des damaligen Außenministers Joschka Fischer hatte international zuvor viel Zustimmung erhalten. Schröder wollte offensichtlich verhindern, dass das Auswärtige Amt dem Kanzleramt weitere Kompetenzen abnehme. Zudem war es ein Leichtes, Fischers Standpunkt populistisch zu konterkarieren. Un­ter den Grünen und bei einem Großteil der Bevölkerung war die pro-israelische Haltung des Außenministers überaus umstritten.

So überrascht es auch vier Jahre später nicht, dass Schröder bei seinem Auftritt im Auswärtigen Amt die Politik des amtierenden Außenmi­nisters offen kritisierte. Wer kein Amt hat, kann deutlichere Worte wählen als ein Funk­tions­trä­ger. Dabei hat Schröder hauptsächlich eines im Sinn: seine Rolle als elder statesman zum Wohle der deutschen Exportwirtschaft zu nutzen. Gute Verbindungen zur Hamas, zu den Muslimbrüdern in Ägypten und Syrien oder zur ­libanesischen Hisbollah können da nur helfen.