Die Ausputzer

Im Hotelgewerbe werden die Arbeitsbedingungen immer prekärer, zum Beispiel bei der Düsseldorfer Firma Clemens Kleine. von birgit schmidt

Im Ritz-Carlton zu wohnen, ist eine Sache, dort zu arbeiten, ist eine andere. Beispielsweise als »Zimmermädchen«, wie erwachsene Frauen noch immer genannt werden dürfen und genannt werden. Unter anderem von der Reinigungsfirma Clemens Kleine, die für die Zimmer­reinigung im Hotel Ritz-Carlton am Potsdamer Platz in Berlin zuständig ist.

Eines von Kleines »Zimmermädchen« ist Florinda, wie ich sie nenne. Vielleicht heißt sie auch Zivana oder trägt keinen spanischen oder serbischen, sondern einen rumänischen, afrikanischen oder brasilianischen Namen. Aus diesen Gegenden nämlich stammen die meisten Frauen, die für Clemens Kleine und das Ritz-Carlton die Zimmer putzen, wenn die Gäste abgereist oder unterwegs sind.

In manchen Zimmern sei nicht viel zu machen, sagt Florinda. Wenn die Gäste ordentlich seien, müssten sie und ihre Kolleginnen nichts weiter tun, als neue Handtücher auszulegen und die Seife und die Bettwäsche zu wechseln, außerdem Staub zu saugen und die Haare aus der Dusche zu spülen. Aber meistens gebe es sehr viel mehr Arbeit. Sie reiche vom Putzen des Badezimmers bis zum Neubestücken der Minibar.

Dafür zahlt die Firma Kleine 60 Cent pro Zimmer. Im Normalfall schaffe sie pro Schicht um die 30 Zimmer, sagt Florinda. Eine Schicht dauert vier Stunden, in zwei Schichten wird gearbeitet, eine vormittags, die andere abends. Jede der Frauen, die für Kleine im Ritz-Carlton putzt, verdient also rund 18 Euro pro Schicht. Das macht am Ende des Monats 360 Euro, wenn man von einem Mo­nat mit durchschnittlich zwanzig Arbeitstagen ausgeht. Für einen Halbtagsjob. Und auch das gilt nur, solange Kleine pünktlich zahlt. Aber die Firma wartet für gewönlich zwei Wochen, bevor sie den Frauen ihr Geld wirklich überweist. Das ergibt einen Stundenlohn von 4,50 Euro, brutto natürlich.

Ein Teil der Geldsumme, welche die Firma Clemens Kleine den Frauen vorenthält, die für sie schrubben, saugen und bürsten, ging offensichtlich an den Webdesigner. Denn der Internetauftritt der Firma ist vorbildlich. Das vor genau hundert Jahren in Düsseldorf gegründete Unternehmen beschäftigt in ganz Deutschland 10 000 Menschen, die meisten übernehmen outgesourc­te Tätigkeiten, die irgendwann einmal ordent­liche, in die jeweiligen Betriebe eingeglieder­te Jobs waren. Dafür wird das Unternehmen von der Geschäftswelt bewundert.

Auch Lars Wallerang schwärmt in der Westdeutschen Zeitung für den traditionsreichen Betrieb: »Im Hause der Familie ging einst eine Sportlegende ein und aus. Dies war der Boxweltmeister Max Schmeling. (…) 1936 erlaubte der älteste Clemens Kleine seinem Sohn Clemens II. (1908-1988), nach New York zu reisen, um sich den Kampf gegen Joe Louis im Madison Square Garden anzusehen. Auch der jüngste Clemens Kleine hat Schmeling persönlich kennen gelernt. Doch seine Sache sei der Boxsport nicht, sagt der Unternehmer. Auch die beiden Söhne würden lieber Golf spielen, wenn sie sich nicht um die Expansion des Familienunternehmens kümmern.«

Nun, auch Florinda interessiert sich nicht für den Boxsport, wenngleich für sie die Alternative nicht auf dem Golfplatz liegt, sondern in der Suche nach einem Arbeitsplatz, von dem sie zumindest ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft bezahlen kann, ihren Deutschkurs und ausreichend Lebensmittel. Mit dem kargen Lohn von Clemens Kleine – inzwischen ist es der III. – kann sie das nicht.

Er verkündet unterdessen auf seiner Website: »Ideenreichtum, hohe Qualitätsstandards, aber auch die gestiegenen Ansprüche und Impulse durch unsere Kunden haben uns zu dem wachsen lassen, was wir heute sind, mit über 10 000 gut ausgebildeten und qualifizierten Mitarbeitern. Hoch motiviert und gut gerüstet für den Sprung ins nächste Jahrtausend – als Ihr zuverlässiger Partner. Fordern Sie uns!« Gerne, Herr Kleine. Nichts leichter als das: Zahlen Sie endlich nach Tarif!