Kleine ­Spielführer

Happy Family VI

Musik, Antifa, Kopfgeburten usw. – das alles wurde in dieser Kolumne schon als Familie vorgestellt, und es sind allesamt adrette Familien, die man gerne in der Nachbarschaft hätte (und zum Teil auch hat). Mit so etwas wohl Geordnetem können wir nicht aufwarten. Unsere Familie ist, nun ja, unsere Familie.

Wir leben seit fünf Jahren zusammen und haben zwei Kinder, eine vierjährige Tochter und einen einjährigen Sohn. Ih­re Namen sollen hier keine Rolle spielen. Der Einjährige kann seine Zustimmung oder Ablehnung dazu noch nicht ausdrücken; die Tochter sähe vielleicht gerne ihren Namen in der Zeitung (wo viele ihrer Spielsachen schon als Illustrationen zu sehen waren). Doch könnte sie sich in einigen Jahren auf kindliche Unwissenheit berufen und zu Recht kritisieren, dass wir Teile ihres Lebens in die Öffentlichkeit gezerrt haben. Bis das nicht geklärt ist, gilt für uns das im Grundgesetz veranker­te Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Gerne beriefen wir uns im Umgang mit den Kindern auch auf andere Artikel des Grundgesetzes oder auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Das aber bringt nichts, solange die Kinder fundamentale Regeln gesellschaftlichen Zusammenlebens missachten. Ihnen ist es egal, dass Schlafentzug in aller Welt (zumindest theoretisch) als geächtet gilt, und ignorieren damit das Folterverbot. Sie treten beim Essen strikt stalinistisch, beim Spielen diktatorisch und bei Freizeitplanungen autoritär auf. Demokratie gilt ihnen nur dann etwas, wenn sie ihnen direkte Vorteile verschafft und die Folgen auf die Allgemeinheit abgewälzt werden können. Darin sind sie Unternehmern ähnlich.

Diese Ähnlichkeit wird auch in Fragen des Eigentums deutlich. Von ihrem Gebrauch der Worte »meins«, »mir« und »ich will« können BWL-Studenten genauso viel lernen wie angehende Berufssoldaten vom Duktus, in dem sie geäußert werden. Dieser Kasernenhofton geht, was die Tagesstruktur betrifft, mit wei­teren militärischen Verhaltensweisen einher: 7 Uhr Aufstehen, 7 Uhr 15 Kacken, 7 Uhr 30 Frühstück, danach rechts­um im Kinder­zimmer zum Spielen und Vorlesen antreten usw. Das macht uns nichts aus, wir kennen Hegels Dialektik von Herr und Knecht gut und haben die Knechtschaft lieben gelernt. Wir wollen es gar nicht mehr anders haben.

Unmilitärisch und nicht unternehmerisch hingegen fällt die Einstellung der Kinder zu Arbeit und Ordnung aus. Die Tochter will später nicht arbeiten, oder nur so viel, dass genügend Geld dabei rumkommt und viel Zeit zum Spielen bleibt. Der Sohn sagt dazu noch nichts, aber Haushaltsarbeiten verschläft er gerne oder krabbelt einfach eilig weg. Beim Aufräumen hat sich eine für uns unbefriedigende Arbeitsteilung durch­gesetzt; wir haben für Ordnung zu sorgen, die Kinder für ihre Beseitigung.

Wir murren darüber nicht, da uns ­Chaos und Arbeitsverweigerung grundsätzlich willkommen sind und wir sie als Charakterzüge unserer Kinder sympathischer finden als die autoritären und kapitalistischen Ausformungen. Also räumen wir weiter auf, damit sie wieder etwas auszuräumen haben. Nur so kann mal was Vernünftiges aus ihnen werden.

biggi hirschfelder und maik söhler