Nachrichten

1:0 für die taz

Medien. Die Junge Freiheit sieht mal wieder die Pressefreiheit bedroht. Eigentlich geht es aber nur um eine verunglückte Werbekampagne, die das schwer verkäufliche Blatt ausgerechnet vor dem Redaktionsgebäude der taz in Berlin-Kreuzberg starten wollte. Drei Junge-Freiheit-Redakteure hatten sich am Donnerstag der vorigen Woche vor dem Verlagshaus in der Kochstraße aufgestellt, um Zeitungen zu verteilen. Dort wurden sie von einem Redakteur der taz angerempelt und aufgefordert zu verschwinden. Inzwischen hat einer der Vertriebenen Anzeige wegen Körperverletzung erstattet, Chefredakteur Dieter Stein hat sogar einen Anschlag auf die Pressefreiheit ausgemacht und zudem eine Entschuldigung von Bascha Mika, der Chefredakteurin der taz, verlangt. (her)

Deutscher Feldspieler

Peter Handke. Nachdem schon sämtliche Lautesten die Chance nutzten, um sich in dem Streit um den Heine-Preis zu verausgaben, hat auch der Leiseste nicht mehr schweigen können. Unter der selten dämlichen Frage »Was bleibt von Handke?« kam sein Kollege Botho Strauß am Donnerstag der vorigen Woche in der FAZ zu der Erkenntnis, Peter Handke sei mit den Faschisten Ezra Pound, Martin Heidegger und Carl Schmitt vergleichbar, die ebenfalls in »Schuld und Irrtum« verfangen gewesen seien, welche allerdings als »Stigmata (im Grenzfall sogar Stimulantien) der Größe« zu betrachten seien. Brecht sei ebenfalls ein Schuldiger, der »gegen den blutigen Stalin nur ein wenig Dialektik ins Feld führte«. So sei Handke also nichts vorzuwerfen, dessen »Irrtum«, die Mär vom serbischen Verbrechervolk nicht glauben zu wollen, ein Beleg seiner »Größe« sei. Denn »wir leben gottlob noch nicht in einer Lea-Rosh-Kultur, in der sich deutscher Geist nur geduckt bewegen soll oder rückschaudernd erstarren und jede erhobene Stirn, etwa zum Ausschauhalten, als pietätlos und missliebig angesehen wird«. Der Österreicher Handke wird von Strauß zu allem Überfluss zum Deutschen gemacht, der mit Strauß gemeinsam den »deutschen Geist« erretten soll. (sun)

Dahin, wo es weh tut

Shohei Imamura. Wer alt und gebrechlich wird und merkt, dass er bald nicht mehr für die Arbeit taugt, und folglich nur noch ein unützer Esser sein wird, bereitet sich langsam vor auf den Marsch ins Gebirge. Von dort wird er nicht mehr zurückkehren, er wird sich neben die verrotteten menschlichen Skelette legen und einfach darauf warten, dass er stirbt. Von derartigen Gebräuchen, die in einem japanischen Bergdorf einmal geherrscht haben sollen, erzählte der Filmemacher Shohei Imamura in seinem Film »Die Ballade von Narayama« aus dem Jahr 1983. Der Film sparte nicht mit radikalen Bildern, und von der Thematik wurde mit einer Kompromisslosigkeit erzählt, die ihresgleichen sucht.

Imamura gehörte mit seinen frühen, in den sechziger Jahren entstandenen Filmen zur New Wave des japanischen Kinos, mit Werken wie »Schweine und Schlachtschiffe« oder »Das Insektenweib«. Doch seine eindrucksvollsten Filme gelangen ihm später, mit »Die Ballade von Narayama«, aber auch mit dem Film »Schwarzer Regen« aus dem Jahre 1989, der das Leben in Hiroshima nach dem Abwurf der Atombombe zum Thema hat und in dem man sieht, wie schwer es den Menschen fiel zu begreifen, welche Folgen der Feuerpilz haben konnte. In der vorigen Woche ist der japanische Regisseur im Alter von 79 Jahren in Tokio verstorben. (aha)

Ivo wird ausgewechselt

Zoo. Nachdem im Herbst ganz Berlin zuerst der Ankunft und dann den ersten Sexualkontakten des Gorillas Ivo entgegengefiebert hat (Jungle World 51/05), droht dem Affen jetzt die Abschiebung. »Er ist einfach zu lieb«, zitiert die B.Z. anonyme Quellen aus dem Zoo. »Der sieht gut aus, hat aber das Sexualverhalten einer Backpflaume«, schreibt die B.Z. und bringt damit die Enttäuschung der Berliner auf den Punkt, die angesichts ihrer eigenen sexuellen Depressionen all ihre Phantasien und Erwartungen auf den Affenmann ausgerichtet hatten. Dann stellte sich heraus, dass Ivo lieber in der Ecke sitzt und an einer Erdnussbutterstulle kaut. Den Affendamen begegnet er höflich, aber reserviert. Berlin wollte einen Macho – und bekam einen Sitzpinkler. Jetzt soll Ivo abgeschoben werden. Er ist einfach überintegriert. (ib)

Verdribbelt

Feridun Zaimoglu. Der Schriftsteller, der früher so eine Art Underdog war, inzwischen aber bestimmt schon für den Heinrich-Heine-Preis vorgesehen ist, hat mit »Leyla« einen der Überraschungserfolge des Frühjahrs geschrieben. Die Kritik sprühte vor Begeisterung, das Buch wurde gekauft und gelesen, und man sprach von ihm, als würde es sich dabei um die geheimen Tagebücher des Ussama bin Laden handeln.

Doch nun geht das Gerücht, Zaimoglu sei ein Fälscher, der sich seine Story nicht selbst ausgedacht habe. Zaimoglu soll die Geschichte seiner Frauenfigur, die in der Türkei aufwächst und nach Deutschland aufbricht, von dem 1992 erschienenen Roman »Das Leben ist eine Karawanserei, hat zwei Türen, aus einer kam ich rein, aus der anderen ging ich raus« der Autorin Emine Sevgi Özdamar abgeschaut haben. Herausgefunden haben will das eine unbekannt bleiben wollende Literaturwissenschaftlerin. Was noch zu erwähnen ist: Die beiden Bücher wurden im selben Verlag publiziert und der Lektor Özdamars ist heute der Verlagsleiter. Das Ganze klingt also nach einem Kriminalstück.

Zaimoglu behauptet, er habe die Bücher von Emine Sevgi Özdamar nie in den Händen gehalten. Diese wiederum sagt, ihr gegenüber habe Zaimoglu einmal etwas anderes geäußert. Die Anwälte aller Beteiligten wurden bereits eingeschaltet. Unbestritten scheint inzwischen zu sein, dass sich die beiden Bücher an manchen Stellen tatsächlich verblüffend ähneln. Es wird wohl nun darum gehen, ob derartige Übereinstimmungen überhaupt zufällig sein können. Eine Frage wurde bei dem Streit aber noch nicht gestellt: Ist es nicht eigentlich ganz egal, ob Zaimoglu ein wenig geklaut hat? Ist Literatur nicht immer auch Diebstahl an bereits Bestehendem? (aha)