Dulden und vertuschen

Bei einer Offensive gegen Oppositionelle tötete die Luftwaffe der Côte d’Ivoire im Jahr 2004 neun Franzosen. War die französische Regierung über die Angriffspläne informiert? von bernhard schmid, paris

Ein französischer Offizier nannte es eine »Panne«, die Regierung der Côte d’Ivoire sprach von einem »Fehler«. Neun französische Soldaten und ein US-amerikanischer NGO-Mitarbeiter starben am 6. November 2004 bei einem Luftangriff in Bouaké. Die Stadt beherbergte damals das Hauptquartier der bewaffneten Opposition, die die nördliche Landeshälfte jenseits einer Demarkationslinie, die Anfang 2003 bei den Friedensverhandlungen von Marcoussis in der Nähe von Paris festgelegt worden war, besetzt hielt. Doch in Bouaké befand sich auch ein Quartier der französischen Truppe der »Operation Einhorn«, die, ausgestattet mit einem Mandat der UN, die Waffenstillstandslinie überwachen sollte.

Die Kampfbomber vom Typ Sukhoi gehörten der ivoirischen Regierung, und noch am Tag des Angriffs zerstörte das französische Militär nahezu die gesamte Luftwaffe des Landes. (Jungle World, Nr. 48/04). Ob es sich beim Angriff der ivoirischen Luftwaffe auf Bouaké tatsächlich um ein Versehen handelte, ist jedoch fraglich. Und die Rolle Frankreichs ist nie geklärt worden.

Sowohl die Kampfflugzeuge als auch ihre Piloten kamen aus der ehemaligen Sowjetunion, wahrscheinlich aus Belarus oder der Ukraine. In der vergangenen Woche berichtete die Tageszeitung Libération, dass die Flugzeuge im Jahr 1993 von einem französischen Unterhändler in den west­afrikanischen Staat gebracht worden sind. Bei dem Vermittler handelt es sich um einen ehemaligen Gendarmeriebeamten des Elysée-Palasts, der früher für den Personenschutz des französischen Präsidenten zuständig, aber wegen Problemen mit der Justiz nach Westafrika ausgewichen war: Robert Montoya.

Der jüngste Bericht bestätigt, was bereits im Jahr 2004 von französischen Zeitungen behauptet worden war: Die Regierung in Paris war vorab von der Großoffensive des ivoirischen Regimes unter Präsident Laurent Gbagbo unterrichtet, bei der die Waffenstillstandslinie überrannt wurde, und duldete den Angriff zumindest. Der damalige Außenminister und derzeitige Premierminister Dominique de Villepin und seine Beraterin in afrikanischen Angelegenheiten, Nathalie Delapalme, vertraten diesen Berichten zufolge die Ansicht, Frankreich solle Präsident Gbagbo als Garanten der Stabilität unterstützen. In den Jahren zuvor hatte Frankreich sich noch eher als neutrale Ordnungsmacht profilieren wollen, die die Kriegsparteien trennt und eine Waffenruhe erzwingt.

Gbagbo hätte also auf den ersten Blick keinen Grund gehabt, französische Soldaten bombardieren zu lassen. Doch auch Libération schließt sich der These an, derzufolge das Camp gezielt angegriffen worden ist. Unklar bleibt weiterhin, ob die Order dazu vom Präsidenten selbst kam oder extremistische Kräfte in seiner Umgebung ohne sein Wissen handelten.

Ein Motiv für die scheinbar kontraproduktive Aktion hätte das Regime gehabt. Die Offensive gegen die bewaffnete Opposition kam bei weitem nicht so schnell voran wie geplant. Daher, so vermutet Libération, habe jemand sich zu einem »Pokerstreich« entschlossen und eine Konfrontation mit der französischen Armee herbeigeführt, um nationalistische Emotionen anzuheizen. Tatsäch kam es zu antifranzösischen Protesten, die das ivoirische Regime instrumentalisieren konnte.

Die französische Regierung hatte die Chance herauszufinden, wer den Einsatzbefehl gab. Denn die 15 Söldner aus Russland, der Ukraine und Belarus wurden im November 2004 auf dem Flughafen von Abidjan von französischen Soldaten festgenommen. Auf Anordnung des Generalstabs in Paris wurden sie aber freigelassen. Acht von ihnen flohen nach Togo, wo sie erneut festgenommen und wieder freigelassen wurden. Allem Anschein nach hatte die französische Regierung kein allzu großes Interesse an der Aufklärung der Hintergründe.