Zu irrelevant

Drohende Räumung in Frankfurt am Main

Der Grundsatz des »Instituts für vergleichende Irrelevanz« (Ivi) prangt an der Fassade des Gebäudes: »Kritisches Denken braucht und nimmt sich Zeit und Raum.« Das Ivi ist ein in Frankfurt einzigartiges politisches, kulturelles und wissenschaftliches Projekt. Im Rahmen der Proteste gegen die Einführung von Stu­dien­gebühren für Langzeitstudierende vor zweieinhalb Jahren besetzten rund 300 Studierende das leer stehende Gebäude im Kettenhofweg und machten es als »Centro sociale« nutzbar. Seither beschäftigt man sich dort mit kritischer Theorie und Praxis und veranstaltet Konzerte und Partys. In der kommenden Woche droht die Räumung.

Bereits im Wintersemester 2001 /2002 von Studierenden gegründet, nutzte das Institut zunächst ein leer stehendes Universitätsgebäude und residierte im Sommersemester 2002 in einem Zeltcamp mehrere Tage auf dem Campus des ehemaligen IG-Farben-Hauses. Beim Einzug in die heutigen Räumlich­keiten hätte wohl niemand damit gerechnet, dass man so lange am gleichen Ort würde bleiben können.

Nachdem im Frühjahr in Verhandlungen mit dem Präsidium der Universität die Räumung hat verhindert werden können, droht sie nun endgültig. »Es gab seit Monaten keinen Kontakt mit der Leitung der Universität mehr«, sagt ein Sprecher des Ivi. Zudem ha­be das Präsidium schon im Frühjahr klargestellt, dass es dem Projekt eine letzte Frist bis zum Ende der Vorlesungszeit des Sommersemesters gewähre, nach der Räumung aber keinesfalls ein Ersatzobjekt anbieten werde – obwohl die Universität nach ihrem Umzug ins ehemalige IG Farben-Haus im Frankfurter Westend über zahllose leer stehende Gebäude rund um den Campus in Bockenheim verfügt.

Was sich hochschulpolitisch als konsequent vorangetriebener Abbau von kritischer Theorie und Wissenschaft bemerkbar macht, findet im Umgang mit kritischen Studierenden seine Entsprechung. Denn das Ivi versteht sich als ein Projekt, das »unabhängig, aber in kritischer Verbundenheit mit der Frankfurter Universität« Studierenden und Nicht-Studierenden gleichermaßen ermöglichen will, »zweckfrei zu studieren und sich mit anderen theo­retisch zu bilden«, wie es in einer Petition zu seinem Erhalt heißt. Linke Gruppen veranstalten regelmäßig Lesekreise, Diskussionsveranstaltungen, Filmabende, autonome Tutorien, aber auch viele Konzerte und Partys. Bereits zwei Mal fanden dort die Veranstaltungen der »Gegen-Uni« statt, die versucht, allen Interessierten eine demokratische, kritische Wissenschaft und Lehre jenseits von »Positivismus und spezialisiertem FachidiotInnentum« zugänglich zu machen.

Besonders scheint sich die Universitätsleitung am Engagement des Ivi während der der­zeitigen Proteste gegen Studiengebühren zu stören. So soll dem Präsidenten der Universität, Rudolf Steinberg, während einer Sitzung zu diesem Thema gar der Wunsch über die Lippen gekommen sein, »dieses Nest auszuräuchern«, wie ein Teilnehmer der Sitzung berichtete.

Bis zur Räumung finden täglich Veranstaltungen und Versammlungen statt, bei denen sowohl die inhaltliche Arbeit des Projekts fort­geführt als auch über seine Zukunft diskutiert wird. Unterstützung bekam das Ivi bereits von der Studierendenschaft, die am 21. Juni auf einer Vollversammlung eine Resolution für seinen Erhalt verabschiedete. »Eine ersatzlose Auflösung des Instituts für vergleichende Irrelevanz, wie sie der Unileitung vorschwebt, werden wir nicht dulden«, heißt es darin. Das Institut solle entweder im jetzigen Gebäude bleiben oder in einem »vergleich­baren, prachtvollen Ersatzobjekt« unterkommen.

jesko bender