»In Israel sieht man überall Feinde«

Linksradikale Gruppen haben am Samstag in Tel Aviv gegen den Krieg demonstriert. Ein Gespräch mit dem Aktivisten matan c.
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Matan C. ist 17 Jahre alt und Mitglied der Gruppe »Anarchists against the Wall«. Er beteiligte sich an den Demonstrationen gegen den Krieg.

Was fordert ihr auf euren Demonstrationen?

Als allererstes fordern wir einen Waffenstillstand. Wir sollten sofort damit aufhören, Zivilisten und zivile Ziele im Libanon anzugreifen. Und wir fordern einen Austausch der israelischen Soldaten gegen palästinensische Gefangene, von denen viele seit Jahren ohne Gerichtsverfahren in Israel inhaftiert sind. Wir müssen uns mit den Ursachen des Konflikts beschäftigen. Wir können nicht ignorieren, dass das, was im Libanon passiert, mit dem zusammenhängt, was in Gaza geschehen ist. Darum fordern wir von der Regierung vor allem, dass sie anfängt, Gespräche aufzunehmen über ein Ende der Besatzung der Westbank. Ohne dies wird es keine wirkliche Lösung geben.

Israel versucht ja nicht, Gebiete zu erobern, sondern die Hizbollah und die Hamas zu stoppen.

Man muss sehen, dass Israel für die Entstehung dieser Gruppen mit verantwortlich ist. Die Gründung der Hizbollah war eine Reaktion auf die Invasion Israels in den Libanon. Und in Palästina hat man diejenigen Palästinenser, die verhandlungsbereit waren, ignoriert, und als dann eine militärische Gruppe wie die Hamas dran war, ist man aus Gaza abgezogen. Die Botschaft war: Nur wenn du Gewalt anwendest, kannst du etwas von uns bekommen.

Die Regierung sagt, dass sie aus der Westbank abziehen will. Aber wie soll das gehen, wenn die Israelis Angst haben müssen, dann von dort genauso mit Raketen beschossen zu werden wie nach dem Abzug aus Gaza?

Israel hat das bisher nur erklärt. Gleichzeitig wurden in der Westbank die Siedlungen ausgebaut, die Mauer wird weitergebaut, obwohl sie 20 Prozent des palästinensischen Gebietes einschließt, und die Situa­tion an den Checkpoints wird immer schlimmer. Ich denke, wenn man die Besatzung beenden will, dann sollte man als erstes den Palästinensern Menschenrechte und politische Selbstbestimmung zugestehen. Es geht weniger um Land als um Anerkennung. Das Land ist nur ein Symbol für Unabhängigkeit. Aber Israel weigert sich, mit der demokratisch gewählten palästinensischen Regierung über den Rückzug zu verhandeln.

In der Vergangenheit wurde viel verhandelt, aber ohne Ergebnis.

Für meine Gruppe zum Beispiel ist es das Wichtigste, dass wir Seite an Seite mit Palästinensern arbeiten. Wenn man etwas erreichen will, muss man es zusammen machen. Wir protestieren ausschließlich gewaltlos, und was geschieht? Die israelische Armee beschießt uns mit Gummigeschossen und Tränengas. Gewalt ist keine Lösung.

Wie kommt es, dass die absolute Mehrheit der israelischen Bevölkerung das anders sieht und die Regierung unterstützt?

In Israel wächst man damit auf, dass man überall Feinde sieht. Das eint die israelische Nation. Jetzt glaubt jeder, dass man sich schützen muss. Es ist dasselbe wie mit der Mauer. Wer will denn keine Sicherheit für sich selbst? Wir sagen, dass sie keine Sicherheit bringt. Jetzt im Libanon Flughäfen und Häuser zu bombardieren, bringt uns keine Sicherheit, sondern immer mehr Hass.

Hast du Freunde oder Verwandte, die etwa als Reservisten in diesen Konflikt verwickelt sind? Was sagen sie zu deinen Ansichten?

Leider glauben viele Leute, dass, wenn man den Krieg nicht unterstützt, man den Feind unterstützt.

Wenn du in der politischen Verantwortung wärst, was würdest du jetzt tun?

In Abstimmung mit der Uno, der EU und der libanesischen Regierung einen Waffenstillstand vereinbaren. Und dann sollten wir über die entführten Soldaten verhandeln. Und dabei sollte man klar machen, dass wir einen unabhängigen palästinensischen Staat wirklich wollen.

interview: ivo bozic