Der Krieg schlägt auf den Magen

Wegen der hohen Verluste der israelischen Armee wächst die Kritik. Eine Alternative zum Militäreinsatz im Libanon sehen die meisten Israelis jedoch nicht. von andrea livnat, tel aviv

Kaugummi kauend, mit Sonnenbrille und einem Macho-Grinsen lümmelt Israels Generalstabschef Dan Halutz in seinem Sessel und stellt die neue Wunderwaffe gegen die Hizbollah vor: die Sängerin Margalit Zanaani, die vor allem mit ordinären Sprüchen glänzt. Natürlich ist das eine Parodie, nämlich in Israels beliebtester Satiresendung »Eretz Nehederet« (Wunderbares Land), die am Freitag eine Spezialfolge zum Libanonkrieg brachte. In Wirklichkeit befand sich Dan Halutz an diesem Freitagabend an einem ganz anderen Ort, im Ichilov-Krankenhaus in Tel Aviv, wegen starker Magenschmerzen. Er wurde mit der Empfehlung entlassen, sich auszuruhen und gut zu essen.

Offenbar kann er dem wachsenden Druck nicht standhalten. Sein gesundheitlicher Zusammenbruch kam nur zwei Tage nach dem verheerenden Einsatz von Bodentruppen im südlibanesischen Bint Jubeil, bei dem acht Soldaten starben, nachdem sie in einen Hinterhalt geraten waren. »Wir waren Kanonenfutter dort«, sagte einer der verwundeten Soldaten im Krankenhaus.

Spätestens seit diesem Debakel wächst die Kritik. Noch immer halten 95 Prozent der Israelis den militärischen Einsatz im Libanon für gerechtfertigt, viele zweifeln jedoch an der Kompetenz der Regierung und der Armeeführung. Dass mit Halutz erstmals ein Luftwaffenoffizier, der wenig Erfahrung mit Bodeneinsätzen hat, den Generalstab leitet, wird dabei ebenso thema­tisiert wie die Tatsache, dass ausgerechnet jetzt ein Gewerkschaftsfunktionär Verteidigungsminister ist. Medienberichten zufolge berät sich Ministerpräsident Ehud Olmert vermehrt mit Pe­retz’ Vorgänger Shaul Mofaz. Er hat ein kleines Kriegskabinett, das »Forum der Sieben«, einberufen, dem u.a. die Minister Shimon Peres, Avi Dichter und Mofaz angehören, Politiker mit Jahrzehnte langer Erfahrung im Militär- und Sicher­heitsbereich.

Der Krieg scheint an einem Punkt angelangt zu sein, an dem die Führung sich entscheiden muss, entweder aufzuhören und einen Waffenstillstand auszuhandeln oder die Militäraktionen stark auszuweiten. Die erste Op­tion ist nach wie vor nur für eine kleine Minderheit relevant. 82 Prozent der Israelis befürworteten am Mittwoch der vergangenen Woche in einer Mei­nungs­umfrage der Zeitung Maariv, dass die Kämpfe weitergehen, bis die Hizbollah aus der Grenz­region vertrieben worden ist. Erst dann sollen Verhandlungen stattfinden.

Die meisten Kommentatoren teilen diese Ansicht. In einem Leitartikel der Tageszeitung Jedioth Achronoth wird zwar festgestellt, dass Israel »von der Manie in die Depression« verfallen sei, dennoch wird die Einigkeit beschworen. Nach der Entführung der beiden Soldaten hätte Israel mit einem sehr kräftigen punktuellen Gegenschlag reagieren müssen, meint Yoel Marcus, einer der führenden Kommentatoren von Ha’aretz. Stattdessen habe der Generalstabschef einen Krieg empfohlen, der »halb Tee, halb Kaffee« sei. Deutlicher werden Amnon Dankner und Dan Margalit in Maariv. Sie plädieren dafür, weniger sensibel auf die Kritik des Auslands zu reagieren, die Luftwaffeneinsätze auszuweiten, um eine verlustreiche Bodenoffensive zu vermeiden, und zu kämpfen »bis zum Sieg, mit mehr Entschlos­senheit und weniger Feinfühligkeit«.

Die israelische Bevölkerung erlebt derzeit einen in der Geschichte des Landes einmaligen Ausnahmezustand. Seit Mitte Juli sitzt eine Million Israelis in ihren Bunkern, wird von Angstzuständen geplagt, verliert Einkom­men, Wohnung, Hab und Gut. Je länger die mi­li­tä­rischen Aktionen dauern, desto unruhiger wird die Bevölkerung. Doch eine Alternative sehen die meisten nicht. So werden weiterhin die Propaganda-Slogans hochgehalten: »Stark und mutig« und »Wir werden siegen«.