Empfindsame Freunde

Die Debatte um Israel

Im Grunde ist es gar nicht so wichtig, was genau im Nahen Osten passiert. Oder ob, wie jetzt, eine etwas längere Karenzzeit vergeht von der ersten israelischen Militäraktion bis zum empörten Aufschrei, so überzogen, brutal, blind, gegen das Völkerrecht verstoßend, nur auf Rache sinnend (»Auge um Auge, Zahn um Zahn« darf an dieser Stelle nie fehlen) dürfe das israelische Militär doch nicht reagieren. Ungeachtet der jeweiligen Ausgangslage kommt das gleiche Muster zum Vorschein.

Es geht nicht mehr um den Konflikt, sondern um »unsere Empfindungen« angesichts der »grässlichen Bilder, die uns aus der Re­gion erreichen«. Heidemarie Wieczorek-Zeul, die als Dauerministerin für Entwicklungs­zu­sam­menarbeit zwar Amtsjahre ansammelt wie Lufthansa-Meilen, dabei aber seltsam unbeleckt von jeglichem tieferen Wissen um außenpolitische Zusammenhänge bleibt, fordert eine sofortige Einstellung der israelischen Militäraktion im Libanon. Ein Vorschlag, den auch die schiitische Miliz Hizbollah sicherlich gerne vernommen hat.

Als habe Israel nicht schon genug Ärger mit seinen Feinden am Hals, vergisst die »rote Heidi« natürlich nicht zu betonen, dass sie selbstverständlich als »gute Freundin« Israels argumentiert. Und als gute Freundin wird man doch auch mal jemanden kritisieren dürfen. Wer sich schon nicht großmütig zum Freund des jüdischen Staates aufschwingt, darf wenigstens händeringend nachfragen, was »wir« denn tun könnten. Ganz originell wird an dieser Stelle gefordert, dass sich beide Parteien doch »an einen Tisch setzen« müss­ten, als handele es sich um einen Kon­flikt darüber, welches Elternpaar beim nächsten Kindergartenfest für die Kuchentheke zuständig sein soll.

Auch die Einberufung von Konferenzen, deren Effizienz man aus dem Alltagsleben kennen dürfte, wird gern als universaler Schlüssel zur »Befriedung der Region« bezeichnet. Meist sind sie so erfolgreich wie die Libanon-Konferenz in Rom, die eher eine Bühne für die Vorstellung bekannter Ansichten als ein Forum für Debatten über realistische Schritte zur Beendigung der Kämpfe war und mit der Veröffentlichung einer schwammig gehaltenen Abschlusserklärung endete.

Wie bei bewaffneten Konflikten üblich, soll die Uno als Schlichterin auftreten und Friedens­truppen schicken. Die Blauhelmsoldaten der Unifil sind jedoch bereits seit dem Jahr 1978 im Süd­libanon stationiert, seitdem haben sie nicht einen einzigen Angriff verhindert. Andere UN-Kontingente im Nahen Osten wurden im entscheidenden Moment abgezogen, sodass die Konfliktparteien ungestört kämpfen konnten.

Wohlfeile »Kritik von Freunden« ist allemal einfacher, als sich mit dem Kern des Konflikts zu beschäftigen, der viel weiter reichende Implikationen besitzt: Wie kann ein demokratischer Staat eine Miliz bekämpfen, die die Zivilbevölkerung eines anderen Landes gezielt angreift und die Zivilisten des eigenen Landes als Schutzschilde braucht, weil deren Tod der eigenen Propaganda zugute kommt? Eine Miliz, die gegen das internationale Recht verstößt, von dem sie gar nicht erfasst wird, da sie keine reguläre Armee ist.

Stellt sich hier nicht die Frage nach dem »kleineren Übel«, nämlich in Kauf zu nehmen, dass Zivilisten der eigenen und der anderen Seite zu Schaden kommen, um dieser Miliz Schaden zuzufügen und ihre Handlungsfähigkeit zu schwächen? Wie weit darf man gehen? Wann kann Israel von einem Sieg sprechen, der es ermöglicht, die Kampfhandlungen zu beenden? Nein, für solche Fragen fehlt den schlichten Gemütern unter den Freunden Israels das Verständnis.