Präventiv nachgetreten

Warum wurde die KPD verboten? von georg fülberth

Die Verfolgung der Kommunistischen Partei Deutschlands begann nicht erst mit ihrem Verbot am 17. August 1956. Seit 1950 gab es Berufsverbote. Im April 1951 wurde die der KPD nahe stehende Freie Deutsche Jugend verboten. Kurz darauf wurde ein neuer Straf­tatbestand geschaffen: die »Staatsgefährdung«. Damit ließ sich vorzüglich die Bewegung gegen die Aufrüstung verfolgen, Kommunisten kamen ins Gefängnis. Im Mai 1952 wurde in Essen der damals 21jährige Philipp Müller, ein Mitglied der KPD, von der Polizei erschossen. Er war der erste politische Tote in der Geschichte der Bundesrepublik.

Der 17. Juni 1953 war keine Sympathiewerbung für die KPD. Hinzu kamen eigene Fehler: Man verfolgte eine so sektiererische Gewerkschaftspolitik, dass es den Apparaten des DGB und der IG Metall leicht fiel, die Kommunisten zu isolieren. Der Wirtschaftsaufschwung machte die eigene Politik unplausibel, die von der Wahrscheinlichkeit einer baldigen Krise ausging. Im Jahr 1953 flog die KPD aus dem Bundestag, zuvor und danach aus fast allen Landtagen. Die Mitglieder verließen massenhaft die Partei.

1956 gab es also gar nicht mehr so viel zu verbieten. Warum geschah es trotzdem?

Vorher noch eine andere Frage: Warum kam das Verbot so spät? Immerhin hatte die Bundesregierung bereits 1951 den Antrag gestellt. Aber die Richter hatten Bedenken. Zwischendurch waren sie sogar in Bonn vorstellig geworden und wollten wissen, ob man den Antrag nicht lieber zurückziehen wolle. Das Beweismaterial war nicht sehr dicke und wurde ab 1954 durch leichte programmatische Korrekturen der KPD noch geringer. Erst als die Regierung sich stur zeigte, sprach das Gericht das Verbotsurteil.

Es war, wie heute ja auch, eine gefällige Einrichtung. Gerät das Bundesverfassungsgericht bei Haupt- und Staatsaffären in Gegensatz zur Regierung, wäscht es dieser den Pelz, ohne sie nass zu machen. Dass es vor einigen Jahren einen Antrag auf Verbot der NPD ablehnte, widerspricht dem nicht. Der Spitzelaufseher Otto Schily war vorher schon so blamiert, dass auch ein Urteil in dieser Angelegenheit ihn nicht gerettet hätte.

Durch das KPD-Verbot machte sich das Gericht nicht nur der CDU dienstbar, sondern auch der Führung der SPD. Die konnte sich in den folgenden Jahren auf den Weg nach Godesberg und zur Nato-Treue begeben, ohne eine Konkurrenz von links befürchten zu müssen. Dazu wäre die KPD Mitte der fünfziger Jahre zwar nicht in der Lage gewesen, aber das hätte ja nicht so bleiben müssen. 1956 war nämlich auch sonst ein interessantes Jahr: Nikita Chruschtschows Rede gegen Stalin und die Krise in Ungarn lösten in einigen kommunistischen Parteien neue Entwicklungen aus. Die schwedische KP begann eine Programmdiskussion, mit der sie sich zu einer reformsozialistischen Partei mit neuer Massenverankerung wandelte. 1958 trat die dänische Partei aus sich selber aus, nannte sich fortan Sozialistische Volkspartei und wurde populärer als zuvor. In Italien führte Palmiro Togliatti seine Organisation umsichtig auf einen eigenen Weg.

Die Führung der illegalisierten KPD wich in die DDR aus und war von dieser nun abhängiger als je zuvor. Nur mühsam gewann sie in den sechziger Jahren im westdeutschen Untergrund wieder Einfluss, aber die Verluste waren nicht mehr wettzumachen.

All dies konnten die Richter freilich nicht wissen, denn es passierte zumeist erst nach dem Urteil. Doch die Spezifik der politischen Justiz in der Bundesrepublik ist ihr präventiver Charakter: Man schlägt nicht nachher zu, sondern vorher. Das hat beim KPD-Verbot gut funktioniert.