Lust auf gelben Kuchen

Die sozialdemokratische Opposition debattiert über die Genehmigung neuer Uranminen in Australien, die Regierung will die profitable Nuklearindustrie ausbauen. von gilles bouché, melbourne

Ich empfehle der Parteibasis, die Politik ›Keine neuen Minen‹ zugunsten eines neuen Ansatzes aufzugeben, der auf der Forderung nach möglichst strengen Sicherheitsvorkehrungen beruht.« Mit dieser Stellungnahme forderte Kim Beazley, Oppositionsführer und Vorsitzender der Australian Labor Party, Ende Juli eine Kehrtwende seiner Partei in der Atompolitik. Die Haltung der Labor Party hatte sich zuletzt 1982 geändert, als sie die Forderung nach Schließung der bestehenden Uranminen aufgab und sich lediglich gegen die Vergabe zusätzlicher Lizenzen aussprach. Den Bau von Atommeilern schloss Beaz­ley hingegen weiterhin aus. Auch seien die Bedingungen für die Aufnahme der Urananreicherung »in den nächsten Jahren« nicht gegeben.

Der Politikwechsel ist innerhalb der Labor Party umstritten. Doch trotz des Widerstands, der sich um Anthony Albanese, den Sprecher für Umweltpolitik, formiert, zweifelt kaum jemand daran, dass es Beazley gelingen wird, seine Position durchzusetzen. Zwar haben die Premierminister von vier der sechs Bundesstaaten, die von der Labor Party regiert werden, Bedenken angemeldet. Sie können jedoch gegen den Uranabbau in ihrem Bundesstaat ein Veto einlegen; da sollte es ihnen nicht allzu schwer fallen, auf dem Parteitag im April den Politikwechsel mit zu tragen. Auch kann es sich die Labor Party nicht leisten, ihren Spitzenkandidaten für die nächsten Bundeswahlen bloßzustellen.

Bei der Ausweitung des Uranabbaus geht es um viel Geld. Rund 25 Prozent der welt­weit bekannten Uranvorkommen lagern in australischem Boden. Bislang wird das aus dem in drei Minen abgebauten Erz gewonnene Uranpulver, der »Yellowcake«, vor allem in die USA, die EU und Japan exportiert. Australien selbst verfügt über keine Atommeiler. Wegen der verstärkten Nachfrage aus Indien und China hat sich der Preis für Uranerz im vergangenen Jahr verdoppelt. Er liegt mittlerweile bei rund 90 US-Dollar pro Kilo, und allein die Uranvorkommen im Bundesstaat West Australia werden auf zwei Millionen Tonnen geschätzt.

Der konservative Premierminister John Howard teilt die vorsichtigen Bedenken der Labor Party nicht. Unter dem Vorwand, die globale Erwärmung bekämpfen zu wollen, befürwortet er einen Ausbau der profitablen Nuklearindustrie. Derzeit untersucht eine von der Regierung zusammengestellte Kommission, welche Position sich für Australien in Sachen Uranabbau, Urananreicherung, Export, ­Energiegewinnung und Endlagerung einzunehmen lohnt. Ein Bericht wird zum Jahresende erwartet. Bereits jetzt werfen Kritiker der Kommission einen Mangel an Neutralität vor.

Da die Kommission ausdrücklich nicht untersuchen soll, wie stark der Staat den Betrieb von Atom­kraftwerken subventionieren müsste, um die Wettbewerbsfähigkeit des Stroms zu gewährleisten, gehen viele Beobachter davon aus, dass Howard den Bau von Kernkraftwerken nicht ernsthaft in Betracht zieht. Christine Milne, Sprecherin der Grünen für Energie und Klimawechsel, hält dementsprechend die aktuelle Debatte um nukleare Energie für »eine Farce. Die eigentliche Agenda ist die Entwicklung einer Urananreicherungs­industrie und eines globalen Endlagers für radio­aktiven Müll.«

Milne zufolge strebt Howards Regierung eine wichtige Rolle in der von den USA geplanten Globalen Partnerschaft für nukleare Energie (GNEP) an. Die Partnerschaft sieht vor, dass Exportländer angereichertes Uran zur zivilen Nutzung überlassen und zur Wiederaufbereitung und Endlagerung wieder einführen. Die Rückführung soll verhindern, dass Uran zur Herstellung von Atomwaffen abgezweigt wird. Im Rahmen der Partnerschaft könnte Australien die lukrativen Uranexporte an China erhöhen und ebenfalls Indien beliefern, wovon die Regierung bislang absieht, da Indien den Atom­waffensperrvertrag nicht unterzeichnet hat.