Es ist was faul in Kopenhagen

Das autonome Jugendhaus »Ungdomshuset« in Kopenhagen wurde an eine rechte christliche Gruppe verkauft. Beim Kampf gegen die Räumung schlug die Polizei hart zu. von alfred lang, kopenhagen

Die »Reclaim the Streets«-Party in Kopenhagens alternativem Viertel Nörrebro vor zwei Wochen wurde zur Unterstützung des autonomen Jugendhauses »Ungdomshuset« organisiert, das akut von der Räumung bedroht ist. Die Streetparty war ursprünglich als friedliche, bunte Veranstaltung konzipiert. Sie war eine Fortsetzung der am Tage zuvor vom »Ungdoms­huset« organisierten Solidaritätsdemonstration, die mit über 3 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern das gesamte derzeitig aktive Spektrum der Kopenhagener Linken auf die Straße gebracht hatte. Dabei hielt sich die Polizei dezent im Hintergrund, und alles verlief friedlich und laut.

Ganz anders war die Stimmung bei der »Reclaim the Streets«-Party am nächsten Tag. Von Anfang an sorgte eine massive Polizeipräsenz für latente Nervosität im Kiez. Die ca. 900 Besucher der Party ließen sich jedoch nicht irritieren und bewegten sich ausgelassen in Richtung Innenstadt. An der Grenze von Nörrebro wurden sie jedoch von kampfbereiten Einsatzgruppen der Polizei gestoppt und zur Umkehr gezwungen. Nach einer friedlichen Sitzblockade kam es zu den ersten Angriffen und Verhaftungen durch die Polizei. Die Demonstranten begannen, Barrikaden zu bauen, und warfen Steine und Flaschen auf die angreifenden Polizisten.

Die Bilanz war die schlimmste in Dänemark seit zehn Jahren: Zahlreiche Demons­tranten erlitten Arm- und Beinbrüche, wurden von Hunden gebissen oder zogen sich Gehirnerschütterungen zu. Insgesamt wurden 268 Leute festgenommen, ca. die Hälfte von ihnen war unter 18 Jahre alt. Am Montag der vergangenen Woche wurden die meisten wieder frei gelassen. Fünf Leute wurden wegen angeblicher Gewaltausübung gegen Polizeibeamte für 14 Tage in Untersuchungshaft genommen.

Die Konfrontationen lösten heftige Diskussionen in den dänischen Medien aus. Video­aufnahmen dokumentierten das brutale Vorgehen der Polizei. Alternative Me­dien wie das linke Internetportal modkraft.dk, die Pressegruppe des Ungdomshuset, aber auch die parlamentarische linke Gruppe En­heds­listen vermuten, dass die Polizei die Straßenschlachten bewusst provozierte, mit dem Ziel, die Soli­darität der Bevölkerung im Stadtteil Nörrebro zu brechen. Das würde ein günstiges Klima für die geplante Räumung des Ung­doms­huset schaffen, wird vermutet.

Das Ungdomshuset wurde 1982 besetzt und erkämpfte sich nach einigen Jahren einen permanenten Nutzungsvertrag von der Kopenhagener Gemeinde. Später, als die Besetzerbewegung sich langsam aufzulösen begann, wurde das Haus immer häufiger von dem sozialdemokratisch dominierten Stadtrat be­drängt. Schließ­lich wurde es vor einigen Jah­ren an eine christlich-fundamentalistische Gruppe mit dem patriarchalischen Namen »Vaterhaus« verkauft. Die Christen wollen das autonome Jugendzentrum in ein »religiöses Refugium« verwandeln. Mehrere Prozesse bestätigten in allen bisherigen Instanzen die neuen Eigentumsverhältnisse, zuletzt am 28. August, als das dänische Landesgericht das Haus ausdrücklich zum Eigentum der Christen erklärte und die Aktivisten dazu aufforderte, das Haus unverzüglich zu übergeben.

Seit Jahren rufen die Aktivisten mit Demonstrationen, Veranstaltungen und zäher Öffentlichkeitsarbeit dazu auf, eine endgültige Räumung zu verhindern. Obwohl sie auch das letzte Urteil des Landesgerichts anfechten und bis in die letzte juristische Instanz gehen wollen, ist es nicht auszuschließen, dass die Polizei vorzeitig mit der Räumung beginnt.

Das »Ungdomshuset« ist derzeit nicht der einzige bedrohte alternative Raum in Dänemark. Die rechts­liberale Regierung von Fogh Rasmussen bereitet gleichzeitig eine »Normalisierung« des Freistaats Christiania vor. Demnach sollen rund 25 Prozent der Häuser von Christiania im kommenden Jahr abgerissen werden und das Gebiet soll für den privaten Wohnungs­markt geöffnet werden.