Politklinik

Ärger um den Berliner CDU-Abgeordneten Scott Körber

Die Zeichen stehen günstig, dass nach Pest, Schwarzen Blattern und Kinderlähmung einer weiteren Geißel der Menschheit in Bälde der Garaus gemacht wird: dem Bluthochdruck. 20 Millionen Menschen in Deutschland leiden nach Schätzungen der Deutschen Hochdruckliga (die nicht dafür zuständig ist, dass Schönwettergebiete Namen wie »Alice«, »Bärbel«, »Claudia« usw. erhalten) an Hypertonie. Einer von ihnen hat eine wirksame Medizin dagegen gefunden: die Politik.

Der Berliner Beamte Scott Körber erprobte die neuartige Therapieform in einem äußerst riskanten Selbstversuch. Die Arbeit als Jobvermittler im Jobcenter Charlottenburg-Wilmersdorf hatte seinen Blutdruck im vergangenen Jahr binnen kürzester Zeit derartig in die Höhe schnellen lassen, dass er sich krank melden musste. Der »Publikumsstress« sei nichts für ihn gewesen, sagte er der B.Z. Doch der wacke­re Mann legte sich mitnichten faul aufs Krankenbett. Mehrfach beantragte er nach eigenen Angaben, in eine andere Abteilung versetzt zu werden, aber ohne Erfolg. »Ich wollte ja arbei­ten«, versichert er redlich.

In seiner Verzweiflung sah er nur den einen, gefährlichen Ausweg: Auf dem Kreisparteitag der CDU Tempelhof-Schöneberg ließ er sich im November 2005 zum Direktkandidaten im Wahl­kreis VII nominieren. Er muss die heilende Wir­kung geahnt haben: »Politik ist positiver Stress. Da reagiere ich mich ab«, erklärte er der Berliner Morgenpost und betonte, dass er die Therapie mit seinem Hausarzt besprochen hätte. Der muss ihm dazu geraten haben, sich bis auf weiteres von Arbeitslosen, »Kunden« und »Publikum«, kurz: von Menschen fernzuhalten und sich lieber mit Politikern und potenziellen CDU-Wählern zu beschäftigen.

Tatsächlich blühte Körber geradezu auf, vermochte seine Überzeugungen sogar glaubwür­diger vorzutragen als die Parteikollegen. Wenn er für »weniger Vorschriften, weniger Bürokratie« warb, glaubte man ihm. Der Beamte, der auch gegen »Sozialmissbrauch« kämpfen will, wusste schließlich, wovon er sprach: »In Deutschland und vor allem in Berlin werden der öffentliche Dienst und seine Beschäftigten ausschließlich als Kostenfaktor gesehen. Büro­kratieabbau wird gleichgesetzt mit Personal­abbau. Das ist der falsche Ansatz. Bürokratieabbau muss zuerst Vorschriftenabbau bedeuten.«

Körber gewann nicht nur das Direktmandat im Wahlkreis Marienfelde/Lichtenrade-Nord, sondern erhielt mit 44 Prozent der Stimmen das beste Ergebnis aller Kandidaten seiner Par­tei. Inzwischen ist er nicht mehr krank geschrieben, sondern im »Erholungsurlaub«, wie er sagt, und entsprechend seines Attests einsetzbar – halbtags, weil er den Rest der Zeit im Abgeordnetenhaus sitzen wird. Er strotzt nur so vor neuen, noch nie da gewesenen Ideen: »Ich will Olympia nach Berlin holen«, sagte er der Berliner Morgenpost.

Was ist der Dank? »Dauer-Kranker will Mandat«, schrieb die B.Z., und es klang wie »Stützesauger verlangt Nil-Kreuzfahrt«, bloß weil Körber während seiner Krankheit stets seine vollen Bezüge erhalten hatte. Süffisant er­wähn­te das Blatt, dass Körber »Kraftsport« als Hobby angebe – als würde die Deutsche Hochdruckliga Hypertonikern nicht ausdrücklich die körperliche Ertüchtigung anempfehlen.

Und die CDU druckst herum, statt stolz auf Körber zu sein. »Die Sache« sei der Öffentlichkeit »schwer darzustellen«, zitierte die Berliner Morgenpost den Parlamentarischen Geschäfts­führer der CDU-Fraktion, Uwe Goetze, unter der Überschrift »Mit Attest ins Abgeordnetenhaus«.

Noch in dieser Woche will sich die Fraktions­führung der Berliner CDU mit Körber zusam­men­setzen.

regina stötzel