Polen in deutscher Hand

Absurde Vorgänge rund um ein deutsches Ausflugsschiff bringen erneut Wirbel in die deutsch-polnischen Beziehungen. Dabei steht der Besuch des polnischen Ministerpräsidenten kurz bevor. von oliver hinz

Irritationen im deutsch-polnischen Verhältnis wurden diesmal von einem Streit um unversteuerten Alkohol auf einem Ausflugsdampfer ausgelöst. Der polnische Zoll beschuldigt den deutschen Kapitän des Ostseedampfers, Heinz Arendt, drei seiner Beamten entführt zu haben. Dieser spricht hingegen davon, dass ein Offizier des polnischen Grenzschutzes »quer vor das Schiff« geschossen habe. Aus seiner Sicht sei es »ein formaler Angriff« gewesen. Polnische Behörden bestreiten dies und werfen dem Kapitän vor, ein »dämonisches Bild« vom polnischen Zoll zu zeichnen. Das Schiff sei lediglich mit zwei grünen Leuchtraketen ohne Erfolg zum Halten aufgefordert worden. Drei nicht uniformierte polnische Zöllner hatten kurz vor dem Anlegen in der polnischen Hafenstadt Swinoujscie versucht, unversteuerte alkoholische Getränke im Bordladen zu konfiszieren.

Offiziell spielen die Regierungen in Warschau und Berlin den Zwischenfall herunter. Sie wollen die Angelegenheit den polnischen und deutschen Staatsanwaltschaften überlassen, die gegen den Kapitän ermitteln. Doch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europa-Parlament, Elmar Brok (CDU), sprach Klartext: »Die Schüsse auf das deutsche Ausflugsschiff belasten die deutsch-polnischen Beziehungen wie auch die Beziehungen zwischen Brüssel und Warschau außerordentlich.« In Bild am Sonntag wetterte er: »Die polnische Führung versucht zu provozieren, wo es nur geht, um von ihren schlechten Meinungsumfragen abzulenken«, und verlangte von ihr, »nicht weiter anti-deutsche und anti-europäische Gefühle im polnischen Volk zu wecken«.

Die Lage ist also angespannt, wenn der polnische Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski am kommenden Dienstag erstmals Deutschland besucht. Nur im Rahmen von EU-Gipfeln haben sich Angela Merkel und Kaczynski bisher getroffen. Merkel rief allerdings schon mindestens zweimal bei ihrem Kollegen in Warschau an, was bei ihm gut ankam, wie er selber sagte. Das erste geplante Treffen hatte Kaczynski kurzfristig abgesagt. Der Vorsitzende der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit wollte Merkel bei ihrem Antrittsbesuch im Dezember in Warschau nicht empfangen, weil sie auch den Oppositionsführer, Donald Tusk von der Partnerpartei der CDU, der rechtsliberalen Bürgerplattform (PO), besuchte.

Kaczynski hatte auch Probleme mit Helmut Kohl. Er betonte vergangenes Jahr gegenüber Journalisten, Kohl habe ihn Anfang der neunziger Jahre bei seinem Besuch in Bonn von oben herab behandelt. Kaczynskis Versuch, die CDU als Unterstützerin seiner damaligen Partei zu gewinnen, schlug fehl. Seither haben die CDU und Kaczynski ein Problem miteinander.

Eine andere Krise hat Jaroslaw Kaczynski einstweilen schon für beendet erklärt – die seiner Regierung. Überraschend holte er vergangene Woche Andrzej Lepper dreieinhalb Wochen nach dessen Entlassung als Vizepremier und Landwirtschaftsminister auf diesen Posten zurück. Von der Vereidigungszeremonie im Präsidentenpalast waren allerdings Journalisten ausgeschlossen. Erst hinterher teilte ein Präsidentensprecher die Wiederbelebung der rechts-populistischen Koalition aus PiS, Leppers Protestpartei Samoobrona (Selbstverteidigung) und der rechtsextremen Liga Polnischer Familien mit. Ganz wohl fühlte sich Kaczynski bei seiner Kehrtwende offenbar nicht. Sehr glücklich gab sich dagegen Lepper. Er setzte in der neuen Koalitionsvereinbarung durch, dass Arbeitslose künftig unbefristet monatlich etwas mehr als 200 Euro erhalten sollen. Bisher gibt es lediglich 18 Monate lang 130 Euro.

Die neue Koalition hat im Parlament überdies keine Mehrheit. Sie verfügt nach den Austritten aus der Partei Samoobrona nur über die Hälfte der 460 Sitze, wird aber von der parteilosen »Volksnationalen Bewegung« unterstützt.