Eine Flut kommt selten allein

Klimapolitik von stefan wirner

Wie schnell doch so ein Jahrhundert vergeht! Es gab wieder einmal eine »Jahrhundertflut« (Spiegel online), dieses Mal ereignete sie sich nicht wie im Jahr 2002 an der Elbe, sondern in Ostfriesland. 16 Meter hohe Wellen und orkanartige Stürme verursachten eine der schwersten Sturmfluten an dieser Küste seit 100 Jahren.

Während sich die Hamburger im Kino den Film »Eine unbequeme Wahrheit« mit Al Gore, dem ehemaligen Präsidentschaftskandidaten in den USA, ansehen konnten, fand draußen genau das statt, was der Film auf seine steife, missionarische Art prophezeit. Die globale Erwärmung, verursacht durch den erhöhten Ausstoß von Kohlendioxid, führt zu einer Häufung von Wetterkatastrophen.

Freilich ist ein Unwetter wie das von der vergangenen Woche allein noch kein Beweis für den Klimawandel. Auch der Hinweis, dass der vergangene Oktober als zweitwärmster seit über 100 Jahren in die Statistik einging, belegt nichts. Und dass der Juli 2006 der wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in Deutschland war, könnte ein Zufall sein. Aber wissenschaftliche Untersuchungen belegen es: Die Atmosphäre erwärmt sich, und der Zusammenhang mit dem Ausstoß von Kohlendioxid wird von keinem ernst zu nehmenden Forscher in Zweifel gezogen. »Unsere Erde hat Fieber«, schrieb Bild am Wochenende. »Die Erderwärmung ist gefährlich wie eine glühende Herdplatte.«

Vielleicht ist sie sogar noch gefährlicher. »Wenn die deutschen Politiker nicht möglichst rasch beginnen, den Klimaschutz weiter auszubauen, kommen definitiv auch auf die deutsche Wirtschaft Milliardenschäden zu«, sagte Claudia Kemfert, eine Umweltexpertin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), am Dienstag der vorigen Woche der Nachrichtenagentur Reuters. Eine Studie des Instituts zeigt, dass die ökonomischen Schäden, die durch extreme Wetterereignisse verursacht werden, in den letzten 30 Jahren um das Fünfzehnfache gestiegen sind. Alleine im Jahr 2002 sollen die globalen Schäden nach Angaben der Versicherungsgesellschaft Münchner Rück 55 Milliarden Dollar betragen haben. Im Kleinen betrachtet liest es sich dann so: Die Dürre im Juni und Juli hat alleine im Bundesland Brandenburg einen Schaden in der Landwirtschaft in der Höhe von 110 Millionen Euro verursacht.

Der jüngste Bericht der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen, der in der vorigen Woche in Bonn vorgestellt wurde, zeigt, dass der Ausstoß von Treibhausgasen erneut zunimmt. Demnach haben vor allem die Industriestaaten seit dem Jahr 2000 wieder mehr solche Gase freigesetzt. Ihr Hauptproduzent sind die USA, aber auch in der EU war in den letzten vier Jahren ein Anstieg von 2,4 Prozent zu verzeichnen. Vor allem Länder, die ein starkes Wirtschaftswachstum aufweisen, stoßen wieder mehr Kohlendioxid aus.

Die apokalyptischen Bilder, die etwa die Bild angesichts der Entwicklung verbreitet, bedienen auch die Ängste des Individuums in der sozialen Krise. Al Gore, der Anhänger des »demokratischen Kapitalismus«, will hingegen Zuversicht verbreiten. Er hofft auf die Fähigkeit des Kapitalismus, auf Entwicklungen zu reagieren. Aber ob die Klimakatastrophe durch den Einsatz besserer Techniken und höhere Effizienz alleine verhindert werden kann, wie der Film nahe legt, ist fraglich. Es ist gerade das auf Profit ausgerichtete Wirtschaftssystem, das die Bewältigung der ökologischen Probleme erschwert.

Wenn diese Wirtschaftsweise, die auf dem rücksichtslosen Naturverbrauch basiert, nicht mehr in Frage gestellt wird, weil sie als Schlusspunkt der Geschichte propagiert wird, dann dürften die Jahre der Jahrhundertfluten und Jahrhundertsommer noch lange nicht vorbei sein.