Verhütung macht unfruchtbar

Die Koalitionspartei Liga Polnischer Familien will die bereits sehr restriktiven Abtreibungsregelungen verschärfen. Zudem wird eine Kampagne gegen Verhütungsmittel vorbereitet. von magda wystub

Der rechtskonservative Machtwechsel im Herbst vorigen Jahres in Polen ließ nichts Gutes erwarten. Hatten doch Parteien mit homophoben Äußerungen und katholisch-fundamentalistischen Vorstellungen von der Rolle der Frau die Wahl gewonnen. Seit einigen Wochen wird in den polnischen Medien nun über die Abtreibungsregelung neu diskutiert.

Auslöser war ein vor kurzem von der rechtsex­tremen Koalitionspartei Liga Polnischer Familien (LPR) vorgelegter Vorschlag zur Verfassungsänderung. Dieser sieht ein Gebot zum »Schutz des ungeborenen Lebens« vor. Da »Leben« der in dem Vorschlag enthaltenen Definition zufolge bereits bei erfolgreicher Befruchtung beginnt, würde dies ein absolutes Abtreibungsverbot bedeuten. Für die Praxis hieße dies, dass auch Frauen, die infolge einer Vergewaltigung schwanger werden, das Recht auf eine Abtreibung verlieren würden.

Derzeit ist in Polen eine Regelung in Kraft, die im Jahr 1993 eingeführt und 1997 verschärft wurde. Diese erlaubt Schwangerschaftsabbrüche nur, wenn die Gesundheit oder das Leben der Schwangeren gefährdet sind, wenn eine Behinderung des Fötus vorliegt oder wenn die Schwangerschaft Folge eines Verbrechens ist. Die bis dahin geltende soziale Indikation, die die Lebensumstände der Schwangeren mit einbezog, wurde 1997 vom Verfassungsgericht für rechtswidrig ­erklärt. Das liberale Abtreibungsrecht aus dem Jahr 1959 wurde so endgültig abgeschafft.

Damit gehört die derzeitige Abtreibungsregelung zu den restriktivsten in Europa. Dies führt u.a. dazu, dass viele Frauen eine illegal durchgeführte Abtreibung nicht nur mit viel Geld (etwa 500 bis 800 Euro), sondern vor allem mit gesundheitlichen Schäden, oft sogar mit dem Leben bezahlen müssen. Offiziellen Statistiken zufolge werden in Polen lediglich 150 Abtreibungen pro Jahr durchgeführt, Frauenorganisationen schätzen dagegen die Dunkelziffer auf 80 000 bis 200 000. Diese Tatsache wurde bereits von den vergangenen Regierungen gerne verschwiegen.

Staatlich geförderte Sexualaufklärungskampagnen gibt es nicht – eine steigende Zahl von Schwangerschaften unter Minderjährigen ist die Folge. Stattdessen soll in einem »Nationalen Programm zur Förderung der Familie«, das derzeit von Abgeordneten der rechtskonservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), der LPR sowie der Fraktion der »Na­tio­na­len Bauernbewegung« erarbeitet wird, explizit auf die gesundheitsschädigende Wirkung von Verhütungsmitteln eingegangen werden. »Verhütungsmittel deregulieren den weiblichen Organismus und führen zu Unfruchtbarkeit«, sagte Mario Pilka, ein Abgeordneter der PiS, der Tageszeitung Metro. Daher will sich Pilka für eine vom Gesundheitsministerium finanzierte »Aufklärungskampagne« zur angeblich schädlichen Wirkung von Verhütungsmitteln einsetzen. Der stellvertretende Gesundheitsminister Jaroslaw Pinkas hat bereits seine Kooperation zugesagt.

Ein Ergebnis der Abtreibungsdebatte könnte sein, dass die geltende Regelung als gesellschaftlicher Konsens gilt, der nicht angerührt werden darf. Genau diese Meinung hat auch Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski, der sich am Montag vergangener Woche gegen ein Abtreibungsverbot und die damit verbundene Verfassungsänderung ausgesprochen hat.

Die derzeit geltende Abtreibungsregelung ist aber alles andere als ein akzeptabler Kompromiss, und bei dem jüngsten Vorhaben der LPR handelt es sich um eine weitere Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts der Frau. Ein Bünd­nis aus Frauen- und Lesbengruppen, linken Parteien und Gewerkschaften organisierte daher am 4. November in Warschau eine Demonstration unter dem Motto: »Schluss mit der Frauenhölle! Wir fordern das Recht auf legale Abtreibung!« Etwa 200 bis 300 Menschen beteiligten sich daran.