Haben wir gelacht!

Der Spiegel und die Welt präsentieren auf ihren Internetseiten auch Satire. Zum Lachen ist diese nicht immer. von jörg sundermeier

Man weiß ja nie, was nicht Satire ist. »Das mit den öden Karikaturen habe ich nach einigen Leseversuchen aufgegeben. Nun noch diese Satire – oder was die Schreiberschüler dafür halten. Mitt­ler­weile merkt man doch an so mancher Stelle, dass der Augstein weg ist.« Diese Worte schreibt ein Leserbriefschreiber an die brand­neue Rubrik »Spam@Spiegel-Online«. Doch das könnte auch der gute Geist von Robert Gernhardt geschrieben haben, sich einen Scherz erlaubend, denn wer – außer er ist verdammt dazu, den Himmel mit ihm zu teilen – weiß heute noch, wer Aug­stein war. Auch die Wendung »… dass der Augstein weg ist« selbst ist sehr komisch.

Aber wer weiß. Dass die Macherinnen und Macher von »Spam« der Titanic nahe stehen, ist jedenfalls deutlich zu erkennen. Martin Sonneborn, der ehemalige Chefredak­teur des Frankfurter Satiremagazins, arbeitet inzwischen für »Spam«. Er dreht lustige Kurzfilmchen, in denen er Hinterbänkler inter­viewt, Tex Rubinowitz und Rattelschneck bieten, wie sie es, darin ganz Schüler von F. W. Bernstein et al., nennen, »Humor für Leute mit Humor«, auch der mitt­lerweile in Peking ansässige Christian Y. Schmidt ist in einem Videoclip zu sehen.

Manche Witze, die in dieser Rubrik veröffentlicht werden, sind allerdings so öde, dass sie nicht mal die Redaktion von TV Total durchgewunken hätte. Dieser zum Beispiel: »Nach dem NPD-Parteitag in Reinickendorf hat Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) vorgeschlagen, für einen neuen Verbotsantrag sämtliche V-Leute aus der NPD abzuziehen. Nebenher hätte das den Vorteil, dass die Neo­nazis auf einen Schlag rund 70 Prozent ihrer Mitglie­der los wären und fast ihre komplette Führungsspitze.« Oder dieser: »›Axel Schulz’ Schwester arbeitet im Puff‹, sorgt sich die Bild-Zeitung heute großflächig. Was in dem – von drei Redakteuren – gut recherchierten Bericht natürlich nicht steht: Sie arbeitet als Rausschmeißer: Knuff, zack, puff!«

Mit diesen dann doch allzu simpel gestrickten Witzchen steht die Rubrik »Spam« allerdings nicht allein da, auch vergleichbare Internetangebote leiden unter solchen Texten. Das Satiremagazin »Glas­auge«, das die Neocons auf der Internetseite der Welt erfreuen soll, wird von Leuten wie André Mielke, einem ehemaligen Redakteur des Eulenspiegel, mit Texten versorgt und kann manchmal wirklich begeistern, etwa wenn die Memoiren Gerhard Schröders im Stile von Günter Grass, Elfriede Jelinek oder Florian Illies wiedergegeben werden; selbst Albernheiten wie die folgende erheitern zunächst: »Ein frühes Tierschutzdrama verfasste der Waliser Gwyned Pathawththththththillthilth. In seinem 1749 nicht veröffentlichten Roman schmiert der sadistische und pigmentgestörte Privatier Mr. Arse die Fontanelle eines Buckelwals vollständig mit Thunfischpaste aus. Der gedemütigte Meeressäuger hat fortan nur noch ein Ziel: Rache an dem grau­samen Albino. Da Mr. Arse fortan aber keine Seereisen mehr unternimmt, läuft diese Rache zusehends ins Nichts.«

Die Texte auf »Glasauge« sind meist länger als die auf »Spam«, was zunächst vorteilhaft erscheint, doch bald ermüdet es einen, dass sich in den Texten die Witze wiederholen. Viele Gags hat man überdies so oder so ähnlich seit den siebziger Jahren schon mindestens neunmal in Pardon, in der Titanic, in Kowalski oder im Eulenspiegel gelesen.

Das Online-Angebot der am Kiosk erhältlichen Satiremagazine ist gleichfalls sehr spärlich. »Hundert Menschen im Irak entführt. Das Terrorministerium in Bag­dad hat hundert Menschen entführt, wo­mög­lich sogar noch mehr. Amerikanische Experten wol­len nun noch einmal überprüfen, ob der Fortbestand eines Terrorministeriums in Irak wirklich sinn­voll ist und ob nicht wenigstens Terrorminister Abdul Abdil nun zurücktreten müsste. Abdil: ›Wieso das denn? Klappt doch alles prima in meinem Ministerium!‹« Dieser müde Spaß ist einer von vielen, die sich auf titanic-magazin.de finden, bei der Konkurrenz von pardon-magazin.de sieht es noch schlechter aus: »Besserer Service. Der neue Chef der Telekom will die Dienstleistungen verbessern, so dass sie ihr Geld wert sind. Wenn man sich von der Auskunft gleich verbinden lässt, wählt sie ab jetzt die günstigste Vor­wahlnummer.«

Solche Witze stehen als Mist neben Gold. Und viel Gold ist es auf den genannten Websites nicht, beim Magazin Pardon muss man sogar sehr lange schür­fen. Wenn man sich fragt, warum dem so ist, drängt sich eine Erklärung auf. Internetpor­tale von Zeitschriften und Zeitungen sind nicht dazu geeignet, feinen Humor zu pflegen, denn sie sind für den Massenkonsum gemacht. Dass welt.de und Spiegel-online in ihrem Angebot eine Satirerubrik brauchen, die das restliche Boulevardangebot nicht stört, ist offensichtlich. Da Tatjana Gsell und Angela Merkel in der Weise, wie sie sich selbst präsentieren, bereits Karikaturen sind, bleibt den Satireredakteuren nur der Witz über den Witz (»Herr Kellner, in meiner Suppe …« oder »Neue Geisterfahrerwitze«) oder aber die Flucht in die endgültig sinnentleerte Albernheit. Also werden Witze gemacht, die man seit Jahren macht, und die Möglichkeiten des neuen Mediums werden kaum genutzt (»Spam@ Spiegel-Online« nutzt immerhin Film­clips).

Schlimmer aber ist der leerlaufende Humor auf den Internetseiten der auch gedruckt vorliegenden Satiremagazine, denn dort wird alles verwertet, was es selbst im Falle eines System­ab­stur­zes, eines Feueralarms und Vollrauschs nicht ins Heft geschafft hätte. Das liegt nicht nur daran, dass die Magazine ohne Not ihre Redaktion neben der Heftproduktion nun auch zum täglichen Witz zwingen, es liegt auch daran, dass den Redaktionen seit Jahren nichts Neues mehr einfällt.

Sodass, schlussendlich, alle einen Witz über den Irak, über Hitler, über Hartz IV oder die Bild-Zeitung machen müssen, oft sich ähnelnde, selten wenigstens ein bisschen amüsante. Sie sind, wie die Harald-Schmidt-Show oder die Sendung »Kerner«, nur Unterhaltung, Zeitvertreib, Blödhalter.