Protestieren macht verdächtig

Die Polizei hat Hausdurchsuchungen bei Bielefelder Studenten durchgeführt, weil im Sommer in der Universität ein Generalschlüssel abhanden kam. von sven kienscherf

Am Mittwoch voriger Woche durchsuchte der Staatsschutz die Wohnung von Thomas M. und den Wohnsitz seiner Eltern. Bereits im August war die Wohnung von Karl S. durchforstet worden. Gegen die beiden Studenten laufen Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts, einen Generalschlüssel der Universität Bielefeld in ihren Besitz gebracht zu haben. Zudem mutmaßen die Behörden, Thomas M. sei an Brandlegungen in der Universität beteiligt gewesen. Gefunden wurde der Schlüssel nicht.

Seit dem Beschluss, Jungakademiker künftig an den Kosten ihrer Ausbildung teilhaben zu lassen, kommt die Universität Bielefeld nicht mehr zur Ruhe. Im Februar besetzten aufgebrachte Studenten die Räumlichkeiten des Rektorats, eine autonome Gruppe verteilte Buttersäure in den Büros von Professoren, die sich für die Gebühren ausgesprochen hatten. Dennoch verabschiedete der Senat am 12. Juli die entsprechende Beitragsordnung. Die Sitzung des Senats, sonst eine öffentliche Veranstaltung, wurde zur geschlossenen Gesellschaft erklärt, aber auf Monitoren in der Universitätshalle übertragen. Mehrere Protestierende versuchten, die Sitzung zu stören. Während einer Rangelei mit dem Sicherheitsdienst kam einem der Wachmänner der besagte Schlüssel abhanden. Die Polizei wirft Thomas M. und Karl S. vor, an der Auseinandersetzung beteiligt gewesen zu sein.

In der Zeit nach dem Verschwinden des Schlüssels beschmierten Unbekannte das Büro eines Professors mit Fäkalien, zündelten an den Spülkästen diverser Toiletten und schoben ein brennendes Papier unter der Eingangstür der Bibliothek durch. Der Sachschaden der halbstarken Aktionen hielt sich jedoch in Grenzen. Im Besitz des Schlüssels zu sein, war dafür übrigens nicht nötig. Die Toiletten und den Bibliotheks­eingang könne man auch ohne ihn erreichen, sagte der Sprecher der Universität, Ingo Lohuis.

Höhepunkt der Serie war der Brandanschlag auf das Privatauto des Rektors Dieter Timmermann am 11. August. Nur weil die Feuerwehr rechtzeitig eintraf, konnte verhindert werden, dass das Feuer auf andere geparkte PKW übergriff. Der Anschlag dürfte den Druck auf die Polizei erhöht haben, der Öffentlichkeit endlich Erfolge zu präsentieren – oder zumindest Aktionismus zu beweisen. Nur einen Tag nach dem Anschlag auf das Auto wurde die Wohnung von Karl S. durchsucht, ohne dass er in dem entsprechenden Beschluss der Brandstiftung verdächtigt wird.

»Die Begründung der Ermittlungsverfahren kann man bestenfalls als sehr vage bezeichnen, und sie dürften juristisch am Limit dessen liegen, was für einen Durchsuchungsbefehl notwendig ist«, meint Sebastian Nickel, der Anwalt der beiden Studenten. So schreibt die Staatsanwaltschaft an erster Stelle im Durchsuchungsbefehl über Thomas M., »er gehört als einer der führenden Köpfe zu der Studentenbewegung, die sich dem Kampf gegen Studiengebühren verschrieben hat«.

Tatsächlich hat M. als Mitglied der Lehrkommission gegen die Gebühren agitiert. Für den Vorsitzenden des AStA, Jan Binder, ist das ein Indiz dafür, dass es den Ermittlern um etwas anderes geht: »Es werden willkürlich Personen herausgegriffen, die sich in der Öffentlichkeit gegen Gebühren ausgesprochen haben. Offenbar hofft die Polizei, auf diese Weise das Umfeld durchleuchten zu können.« Überhaupt gebe es keine Hinweise darauf, dass die Gebührengegner für die Brände verantwortlich seien.

Zumindest fehlten im Gegensatz zu den Buttersäureanschlägen zu Beginn des Jahres die Bekennerschreiben. Damals hatten die zahlungsunwilligen Verursacher des Anschlags noch gedichtet: »Gebühren sind Teil einer faschistoiden Gesellschaftsentwicklung … , die noch lange nicht ihr blutiges Ziel erreicht hat.«