Der kleine Horrorladen

Der »Werwolf-Shop« in Wismar zieht Neonazis aus der ganzen Region an. Aus ihm heraus wurde im Sommer eine linke Demonstration angegriffen. von andreas speit

Der Laden in Wismar läuft gut. Auch aus der Region kommen die Kunden gerne in den »Werwolf-Shop«. Das Angebot gefällt. »Exklusive Bekleidung« und »ständig die aktuellsten CDs«, so preist der Betreiber Philip Schlaffer sein Programm an. Das Werbemotto lautet: »Aus der Bewegung, für die Bewegung«.

Mitten in der Altstadt befindet sich der Laden. Nicht weit entfernt in dem Tattooshop »Needle of Pain« kann man sich gleich noch das passende Motiv stechen lassen. Die aktuelle Mode der Wismarer Szene sieht so aus: Man trägt ein Shirt mit dem Stadtwappen und dem Schriftzug »Fronthafenstadt Wismar«.

Auf einem Spaziergang durch die Straßen der einstigen Seehandelsstadt im Westen von Mecklenburg-Vorpommern sind die »Kameraden« und »Ka­me­radinnen« nicht zu übersehen. Vor einen Geschäft betrachtet am Nachmittag ein Paar mit Kinderwagen die Auslagen. »Was schauste so?« raunzt der Glatzkopf, bekleidet mit einer Thor-Steinar-Jacke. Der Schriftzug »100 % White Power« ziert das Shirt der Blondgefärbten. Vielleicht hat sie es beim »H8store« bestellt. Der Internetversand mit den Slogan »support war against zog« sitzt auch in Wismar. Angesichts der Parole »Unterstütze den Krieg gegen die zionistisch gelenkte Regierung« verwundert es wenig, dass der Versand Shirts mit Anspielungen auf eine CD der verbotenen Rechtsrockband »Landser« (»L.– Republik der Strolche«) vertreibt.

Kopfschüttelnd geht ein anderes Paar vorbei. »Diese Nazis sind schlimm«, sagt der 40jährige, und seine gleichaltrige Begleiterin meint: »Traurig.« Beide erzählen von dem Angriff auf einen Ausländer. »Hier bei uns, auf dem Rudolf-Kar­stadt-Platz wurde er zusammengeschlagen«, beteuern sie. In der Nacht des 25. April hatten drei Männer Kudzo Agbevohia auf dem Platz in der Altstadt angegriffen. Als er am Boden lag, traten sie gegen seinen Kopf. Zwei Frauen eilten ihm zu Hilfe, die drei Männer liefen weg. Die Täter sind am Dienstag voriger Woche zu Bewährungsstrafen verurteilt worden.

In Wismar muss sich die rechtsextreme Szene nicht verstecken. »Der Laden zieht Leute an«, betont Thorsten Schäfer vom »Netzwerk für Demokratie, Menschlichkeit und Toleranz«. Rund 30 Personen in der Stadt ordnet der Verfassungsschutz der Szene zu. Lange ging Wismar nur verhalten gegen die Neonazis vor, trotz vieler rechter Übergriffe und Veranstaltungen. Der öffentliche Druck auf die Szene sei in den vergangenen Mona­ten jedoch gewachsen, sagt Schäfer. Ein Grund dürften die Geschehnisse vom 11. August sein.

An jenem Samstagvormittag protestierten etwa 150 Mitglieder der Kampagne »Keine Stimme den Nazis« gegen die NPD. Als die Demonstration am »Werwolf-Shop« ankam, wurde sie von einer gewaltbereiten Gruppe erwartet. Fünf Neonazis, die hinter der Tür ihre Baseballschläger bereitgestellt hatten, wollten den Zug angreifen. Die völlig überraschten Polizisten, die zwischen den Neonazis und den Antifas standen, wussten sich nicht anders zu helfen, als ihre Pistolen zu ziehen, um das Schlimmste zu verhindern. Erst als sie die Waffen durchluden und auf die Rechten zielten, wichen diese langsam zurück.

Die Bilder von diesem Angriff liefen auf ver­schie­denen Fernsehsendern, auch im Ausland. »Das ist ein Imageschaden für die Stadt«, sagt Frank Junge, ein Sprecher der Stadtverwaltung. »Eine kleine Gruppe von Rechtsextremisten hat ein falsches Bild von der Stadt entstehen lassen.« Mit einer Image­kampagne solle nun das »wirkliche Bild« gezeigt werden.

Aber auch gegen die Rechtsextremisten würde nun »härter« vorgegangen, meint Junge. So sei die Gewerbegenehmigung des »Werwolf-Shop« geprüft worden. Aber alles sei »rechtens«. Die Polizei suche aber in dem Laden immer wieder nach verbotenen Mate­rialen, erzählt er weiter. Die Wismarer Bürgerschaft, angeführt von ihrem Präsidenten Gerd Zielenkiewitz (SPD), habe derweil versichert, verschiedene Aktionen gegen rechts zu unterstützen, auch mit finanziellen Mitteln.

Für das kommende Jahr plant das »Netzwerk für Demokratie, Menschlichkeit und Toleranz« mehrere Aktionen. Über 20 Initia­tiven und Vereine haben bereits Ideen vorgelegt. Weitere werden wohl folgen, glaubt Schäfer, den nun auch zuversichtlich stimmt, dass auch die Stadtverwaltung sich engagiert. Bereits jetzt habe das »Netzwerk« eine Unter­schriftenaktion gegen den »Werwolf-Shop« begonnen. »Mit der Liste wollen wir den Druck auf den Vermieter Wolfgang Knöpel erhöhen«, erläutert Schäfer, »und auch anderen Vermietern zeigen, dass solche Mieter Proteste hervorrufen.«

In der gleichen Straße gab es schon einmal einen rechten Szeneladen. Weiter oben in der Straße führte der Neonazi René Metz den »08/15 Store«. Ende des vergangenen Jahres musste er schließen. Eine Initiative von Nachbarn hatte den Vermieter zur Kündigung bewogen. Auch einen Holzhändler dürfte der öffentliche Druck zur Auflösung eines Vertrags angeregt haben. In einer Baracke mit dem Namen »Wolfs­höhle« richtete die NPD »nationale Stammtische« aus. Auch ein Konzert fand auf dem Gelände des Händlers statt. »Der Vertrag ist gekündigt«, erzählt Schäfer.

Die rechtsextreme Szene klagt im Internet wegen der Unterschriftenliste inzwischen über einen »förmlichen Psychoterror gegenüber dem nationalen Szeneladen«. Eine »regelrechte Po­grom­stimmung« würde das »Netzwerk« schüren. Vor seinem Büro seien bereits drei Wagen mit »rechten Muskelpaketen« vorgefahren, sagt Schäfer. »Die wollten uns einschüchtern.«

Der Betreiber des Ladens erfährt indes nicht nur Unterstützung aus der Szene. In der Nacht des 5.Oktober sollen nach Polizeiangaben drei Berliner Neonazis, unter ihnen Alexander Bahls, Mitglied des »Spreegeschwaders« und Betreiber des Ladens »Parzifal«, in den Laden eingedrungen sein. Sie forderten angeblich 10 500 Euro für die Vermarktung von Szeneartikeln. Zum Nachdruck drohten sie Schlaffer mit Totschlägern und einer Axt. Sie sollen 600 Euro, drei EC-Karten und eine Kreditkarte gestohlen haben. Der mutmaßliche Haupttäter sitzt inzwischen wegen des Verdachts auf schweren Raub in Untersuchungshaft.