Dafür geh’ ich meilenweit

Das Schönste am Rauchverbot ist die Zigarettenpause. von bianca ravel, raucherin

Ich war einmal in New York und saß mit Freunden in einer Bar. Sie kennen das bestimmt: diese langweiligen, traurigen Bars in Manhattan, die immer leer sind, weil man dort nicht rauchen darf. Die Befürchtungen, dass auch das deutsche Nacht­leben bald so trist wie das amerikanische oder das italienische werden könnte, haben am vergangenen Wochenende ein wenig nachgelassen, nachdem die Bundesregierung das ursprünglich vorgesehene einheitliche Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden und Gaststätten wegen angeblicher »verfassungsrechtlicher Bedenken« erst mal nicht durchsetzte.

Aber ich war gerade dabei, eine Geschichte zu erzählen. Ich saß also in dieser Bar in New York. Ich bekam Lust auf eine Zigarette, ging raus, zündete mir eine an. Es war Anfang April und draußen waren über 26 Grad. Unter den rauchenden Gestalten, die vor der Tür standen, war ein wunderbarer Mann. Wir kamen ins Gespräch. Eine Zigarette lang. Wir verbrachten die folgenden 24 Stunden zusammen. Bei den vielen Zigaretten, die wir am nächsten Tag am Flughafen von Newark rauchten, war ich mir sicher, den Mann meines Lebens gefunden zu haben. Ich sah ihn nie wieder. Aber diese Zigarette draußen vor der Bar werde ich nie vergessen.

Seit kurzem darf ich auch endlich in einer rauchfreien Umgebung arbeiten. Mein Chef wird sich wundern, wie wir alle konzentrierter, relaxter, schlicht: besser arbeiten werden. Ich habe mir sehr gewünscht, dass es so kommt. Natürlich gibt es mehrere Gründe dafür. Zum Beispiel, dass gute Luft besser als schlechte Luft ist. Oder dass Leute, die jahrelang die Zigaretten der anderen passiv mitrauchen mussten, endlich frei atmen kön­nen. Oder dass ich mich nach Feier­abend sofort meinem sozialen Leben widmen kann, ohne zuvor zu duschen und meine Klamotten zu wechseln. Ich finde es nämlich überhaupt nicht sexy, jeden Abend wie ein Aschenbecher zu riechen.

Was ich aber, als Raucherin, an dem Rauchverbot besonders gut finde, ist die Zigarettenpause. Den Arbeitplatz kurz zu verlassen, sich ein wenig bewegen, mal kurz in den Hof gehen, vielleicht taktisch klug kurz vor dem Wutanfall des Chefs. Ok, wenn man nur an die frische Luft geht, um eine Zigarette zu rauchen, relativiert sich der Diskurs um die Gesundheit von Körper und Seele ein wenig, aber Konsequenz ist langweilig, und Dogmatismus unsympathisch.

Irgendwann werden die Zigarettenpausen mir etwas Schönes, Unvorgesehenes brin­gen, wenn auch nicht die große Liebe, die ja in New York geblieben ist. Zigaretten werden in der Pause außerdem besser schme­cken.

Leute, denen es egal ist, wo sie rauchen, Hauptsache, es ist überall möglich, haben keine Ahnung davon. Sie kennen nicht diese sinnliche Leidenschaft, die rauchende Menschen sexy macht. Ja! Genau wie die Raucher und Raucherinnen, die man in der Zigarettenwerbung sieht. Wer behauptet, diese Menschen gäbe es gar nicht, liegt falsch. Je mehr sich Rauchverbote verbreiten, desto intensiver wird die Zigarettenpause zum »Socializing« genutzt werden. Es ist wie die Erfindung des Mobiltelefons: Neue Formen der Kommunikation werden entstehen! Vor allem werden mehr Menschen besser riechen, was sie attraktiver machen wird, und vielleicht werden auch mehr deutsche Kinder in die Welt gesetzt.

Ein kleines Problem bleibt noch, das mit Verboten kaum zu lösen ist. Es besteht näm­lich die Gefahr, dass die »anderen Raucher« – Rauchverhalten: nervös, reflexartig, entfremdet – sich zu Opfern der Repression stilisieren und ihre rücksichtslose Raucherei als »Widerstand« zu begreifen beginnen. Die Gefahr besteht insbeson­dere bei sich als »links« verstehenden Rauchern, die in der Regel auch ein wenig Marx gelesen haben. Ihre Argumentation lautet: »Es ist nicht das Rauchen, sondern der Kapitalismus, der gesundheitsschädlich ist. Von Menschen wird verlangt, dass sie gesund bleiben, damit sie mehr produzieren. Deshalb rau­chen wir: Weil wir gegen den Kapitalis­mus sind.« Gegenüber solchen »Widerstandsrauchern«, es sind meis­tens Männer, bringt die übliche Argumentation, Rauchen führe zu Krebs und anderen schrecklichen Krank­heiten, meistens nichts. Verweisen Nichtraucher und Nichtraucherinnen auf ihr Recht, nicht ständig angequalmt zu werden, werden sie in der Regel als »Nichtraucherfaschisten« beschimpft.

Man könnte es vielleicht mit Boykott­politik versuchen: Keinen Sex mehr mit Männern oder Frauen, die nach Aschenbechern riechen. Die Zigarette danach wird übrigens auch abgeschafft.