Die Augen fest geschlossen

Die Bilder von Walter Frentz, dem Hoffotografen von Adolf Hitler, zeigen die heile Welt der Nazigrößen. von georg patzer

Nach dem Krieg waren sie alle »Widerstandskämpfer«. Oder wären es beinahe gewesen. Oder sie waren, wie Leni Riefenstahl, »unpolitisch«. Dabei haben sie die Nationalsozialisten verherrlicht, haben Propagandamaterial gedreht, mit dem die Massen, auch mittels Kameraperspektiven und -einstellungen, indoktriniert wurden. Und sie haben immer weggesehen, wenn es opportun war. Und schön Karriere haben sie bei und mit den Massenmördern auch noch gemacht.

So einer war auch Walter Frentz. 1907 ge­boren, begann er 1930, nach einem Elek­tro­ingenieurstudium, seine Karriere mit Sport­filmen, für die er sich neue, avantgar­distische Techniken überlegte und zum Virtuosen mit der Handkamera wurde. 1933 holte ihn Leni Riefenstahl, auf Empfehlung von Albert Speer, zu ihren Mitarbeitern. Frentz filmte 1934 den Nürnberger Reichs­parteitag der NSDAP für den Propagandafilm »Triumph des Willens«, 1936 war er bei den Olympischen Spielen in Berlin dabei, die Ablichtung der Segelregatten und der Marathonläufe war seine Spezialität. Und dann ging es schnell aufwärts. Von 1939 bis 1945 lebte, filmte und fotografierte er im unmittelbaren Umfeld Hitlers. Er dokumentierte das Leben in dessen Hauptquartieren »Berghof« und »Wolfsschanze«, er filmte und fotografierte in den besetzten Ländern, in Frankreich und Polen, er lichtete KZ-Häftlinge beim Raketenbau ab und fotografierte schließlich die Trümmer des Reichs. Im März 1945 entstanden seine letzten Filmaufnahmen von Hitler, als der in der Reichskanzlei blutjunge Hitlerjungen für ihren Kampf gegen die Rote Armee auszeichnete, die schon vor Berlin stand.

Ein neuer Bildband zeigt die einzigartige Karriere eines Mannes, der nach dem Krieg, wie Riefenstahl, immer behauptete, neutral gewesen zu sein, ein einfacher Fotograf und beileibe kein Nazi. In »Das Auge des Dritten Reiches« untersuchen elf Historiker und Filmwissenschaftler seine wahre Rolle. 300 Fotos sind in diesem opulenten Bildband abgedruckt und genauestens kommentiert. Denn wichtig ist, abgesehen von der oft stupenden Technik: Wie und was hat er fotografiert, wie hat er Hitler und die anderen Nazis porträtiert, wie hat er sie, immer im Interesse der Macht, in­szeniert?

Klar ist: Auch Walter Frentz war ein ergebener und eifriger Zulieferer der Nazi-Propaganda. Verbrechen werden deswegen überhaupt nicht gezeigt, sondern nur die »schönen« Seiten der Nazi­zeit, vor allem aber Alltägliches aus der Führungsschicht. Die Pogromnacht 1938? Die Hässlichkeiten der KZ? Die Kämpfe im Krieg? Der Völkermord an den Juden? Das alles kommt nicht vor. Nicht einmal in den privaten Fotoaufnahmen, die Frentz neben seinen offiziellen Filmen für die Wochenschau durch­aus auch gemacht hat. Er zeigt eine heile Verbrecherwelt: Hitler ist fröh­lich, Eva Braun ist fröhlich, Göring und Goebbels freuen sich, und die »richtigen Deutschen« freuen sich mit. Bis zum Ende war ­Frentz bei Adolf Hitler. Noch heute kann man kaum eine Dokumentation sehen, ohne Bildern und Filmen von ihm zu begegnen, so eifrig war er damals, die Nazis zu zeigen, so viel hat er gearbeitet.

»Das Auge des Dritten Reiches« untersucht Frentz’ Rolle im Regime sehr genau. Im Interesse der Karriere hat er beide Augen fest geschlossen. Immerhin verfügte er über eine interessante Kameraführung und eine bemerkenswerte Fototechnik, mit den Mächtigen durfte er sehr vertraut umgehen. Man sieht es den Fotos, die häufig sehr ungezwungene Menschen zeigen, an, dass Frentz dazugehörte, dass er sie in vielen privaten Situationen fotografieren durfte. Es gibt viele Aufnahmen von Hitler, seinen Gästen, seinen Hunden, seiner Entourage. Selbst im Führerhaupt­quar­tier und im geheimen Raketenzen­trum der V-2 in Polen durfte ­Frentz ­fo­tografieren. Im KZ Mittelbau-Dora in­szeniert er dabei das Licht so, dass die Gefangenen wie normale Arbeiter aussehen. 1941, auf einer Reise mit Heinrich Himmler nach Weißrussland – Frentz war inzwischen in der SS –, zeigt er einen familiären, entspannten Himmler in Gesprächen mit Bauern und Kranken, die kurz danach von der SS ermordet wurden.

Viele seiner Fotos waren zunächst nicht zur Veröffentlichung bestimmt, sie machen aber doch den Eindruck, dass Frentz genau wusste, was gespielt wurde. Aber es war ihm offensichtlich egal, Hauptsache, er hatte seine Fotoaufträge. Auch nach dem Krieg ging seine Karriere schnell weiter. Er hielt »Lichtbildervorträge« und benutzte dabei sein großes Archiv von Ruinenbildern, die er kräftig romantisiert hat, er fotografierte Sport und Natur und pflegte seine Kontakte mit den alten Nazis. 2004 starb er, überzeugt, ein »unpolitischer Mensch« gewesen zu sein.

Hans Georg Hiller von Gaertringen (Hrsg.): Das Auge des Dritten Reiches. Hitlers Kameramann und Fotograf Walter Frentz. Deutscher Kunstverlag, München 2006. 256 Seiten, 39,90 Euro