Mundraub!

Gammelfleisch in Berlin

Wie viele leckere Weihnachtsputen hätte das ergeben, italienische Putenaufläufe oder Kürbis-Zucchini-Suppen mit Putenstreifen! 95 Tonnen Gammelfleisch von der Pute, aus Italien stammend, wurden am 21. September bei einem Berliner Fleischhändler gefunden. Die damalige Gesundheitssenatorin Heidi Knake-Werner von der Linkspartei aber will erst in der vorigen Woche davon erfahren haben. Die Grünen vermuten, dass ihr »der Zeitpunkt des Skandals, der unmittelbar in die Koalitionsverhandlungen fiel und natürlich ein schlechtes Licht auf die Ver­braucherschutzpolitik der PDS wirft«, nicht gepasst habe.

Aber wie so oft vernebelt ihr rigoroser Ökologismus den Grünen den Blick auf die sozialen Verhältnisse. Denn der Clou an der Sache ist, dass Knake-Werner längst nicht mehr Gesundheitssenatorin ist, son­dern Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales. Vielleicht war ihr Plan ja, sich erst in ihrem neuen Amt um die Extraportion Fleisch zu kümmern. Nun, nachdem die Hetze gegen sie schwer verdaulich wird, traut sie sich nicht, das zuzugeben, und trägt kleinlaute Entschuldigungen vor. Sie sagte, ihre Verwaltung habe zwar seit Wochen von dem Fund ge­wusst, eine Vertretungskraft habe ihn ihr aber nicht gemeldet. »Dass das nicht geschehen ist, ist ein Fehler«, sagte Knake-Werner reumütig.

Das aber zeigt nur, wie eingeschüchtert sie ist. Denn die Geschichte mit der Vertretungskraft ist völlig unglaubwürdig. Denn in Wirklichkeit wollte die Senatorin der Linkspartei mit dem Fleisch das soziale Profil der Partei schärfen. Denn rechnet man 200 Gramm das Stück, so hätte der Fleischberg in mehr als 450 000 Schnitzel verwandelt werden können! Das wäre für jeden der rund 430 000 Berliner Empfänger des Arbeitslosengeldes II ein Putenschnitzel gewesen, und am Ende wäre immer noch etwas übrig geblieben – etwa 80 000 Puten­bratwürste für Kindergärten, Altenheime, Krankenhäuser. Welch ein Weihnachtsfest für die Unterschicht!

Nach dem Skandalgeschrei der vergangenen Woche aber dürfte diese Armen­speisung – wie man so schön sagt – vom Tisch sein. Tausende Familien werden sich mit trockenem Brot zufrieden geben müssen. Der Fall ist gegessen, und das ist zum Kotzen. Denn was den Grünen wurscht ist: Nur jemand, der etwas zu verbrauchen hat, kann auch in den Genuß des Verbraucherschutzes gelangen.

josé maragosa