Provokation als Strategie

Präsident Ahmadinejad lud Holocaust-Leugner aus aller Welt zu einer Konferenz nach Teheran ein. Mit antisemitischer Hetze will er den iranischen Einfluss in der Region stärken. von shahram najafi

Antisemitismus ist für ihn ein Erfolgsrezept. Seit über einem Jahr ist Mahmoud Ahmadinejad iranischer Präsident, und in dieser Zeit hat er die große Wirkung seiner Hasstiraden gegen Israel schätzen gelernt. Der Ingenieur, der als eine Art islamischer Robin Hood antrat, versprach im Wahlkampf wachsenden Wohlstand und beschwört seit seiner Machtübernahme im August 2005 eine »neue islamische Welle«. Er möchte den Iran zum führenden islamischen Land und zum »Modell für die ganze Welt« machen.

Er konzentriert sich derzeit auf eine hegemoniale Macht- und Außenpolitik, die sich durch zwei Komponenten besonders auszeichnet: das Atomprogramm und die antiisraelische Hetze. Dutzende Male hat er bereits den Holocaust als einen »Mythos« bezeichnet, der erfunden worden sei, um die Gründung des Staates Israel zu rechtfertigen. Er fordert die Zerstörung Israels, um den Palästinensern »Gerechtigkeit« widerfahren zu lassen.

Den Höhepunkt solcher Provokationen bildete die seit langem angekündigte »Holocaust-Konferenz«, die in der vorigen Woche in Teheran stattfand. Unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit wurden 67 Teilnehmer aus 30 Ländern nach Teheran eingeladen, um »Denkern, die ihre Ansichten über den Holocaust in Europa nicht frei äußern können, ein Forum zu geben«, wie der iranische Außenminister Manouchehr Mottaki in der Eröffnungsrede sagte.

Diese Aussage verdeutlicht, wie das Regime mit einem der Hauptpunkte westlicher Kritik kokettiert. Mit der Konferenz möchte sich der Iran nun als Hort der Rede- und Meinungsfreiheit präsentieren, während im Land Studentenproteste niedergeschlagen, Zeitungen verboten und alle oppositionellen Regungen im Keim erstickt werden.

Das Gros der Kongressteilnehmer kam aus dem Westen, vornehmlich aus europäischen Ländern, in denen das Leugnen des Holocaust verboten ist. Viele von ihnen sind bekannte Revisionisten und Geschichts­fälscher. Zu ihnen gehört Frederick Töben, der 1999 wegen der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener zu zehn Monaten Haft verurteilt wurde und seitdem in Australien lebt. Benedikt Frings, ein ehemaliger stellvertretender Kreisvorsitzender der NPD, war dort, um »einmal frei über das Thema Holocaust diskutieren zu können«. David Duke, einst Mitglied des Ku Klux Klan, trug erneut seine These vor, dass »zionistische Extremisten« für den Irak-Krieg verantwortlich seien.

Auch fünf ultra-orthodoxe Rabbiner nahmen an der zweitägigen Veranstaltung teil, sie wurden auf den ersten Sitzreihen platziert, um zu demonstrieren, dass es sich nicht um eine antisemitische Konferenz handele. Sie leugnen zwar den Holocaust nicht, lehnen aber wie ihre Gastgeber den Staat Israel ab. Der einzige Vertreter der jüdischen Minderheit im iranischen Parlament, Moris Motamed, sagte hingegen seine Teilnahme mit der Begründung ab, dass »die Leugnung des Holocaust eine weitere Beleidigung der jüdischen Gemeinde« sei.

Ahmadinejad empfing die Teilnehmer zum Konferenzabschluss und sagte erneut ein baldiges Ende des Staates Israel voraus: »Der Westen hat dieses Regime (Israel) erschaffen, jetzt muss er es wieder abschaffen, damit wieder Frieden in die Welt einkehrt.« Wenn der iranische Präsident das Existenzrecht Israels bestreitet und sich als Rächer der Palästinenser und der Muslime aufspielt, findet er in der arabisch-islamischen Welt Gehör. Meinungsumfragen in der Region belegen, dass die Sympathie für ihn stark gestiegen ist. Damit schürt er den muslimischen Antisemitismus, ein relativ neues Phänomen, das eng mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt verbunden ist.

Die meisten Iraner dagegen stehen dem israelisch-palästinensischen Konflikt gleich­gültig gegenüber. Die etwa 25 000 iranischen Juden begegnen in ihrem Alltag keinen Ressentiments, und die provokanten Ansichten des Präsidenten werden von der Bevölkerung kaum geteilt. Vielmehr nimmt der Druck auf Ahmadinejad stetig zu. Sogar seine Anhänger verlangen von ihm, sich weniger für das Atomprogramm einzusetzen und sich an sein Wahlversprechen zu erinnern, die Armut zu bekämpfen. Die Wirtschaftsreformen seiner Regierung stehen unter starker Kritik, sowohl aus der Bevölkerung wie auch aus den Reihen des Establishments. Die Inflationsrate ist hoch, ebenso die Arbeitslosigkeit, und dem Präsidenten wird vorgeworfen, die Probleme zu verharmlosen.

So nehmen die Proteste gegen das Regime und besonders gegen den Präsidenten zu. Am häufigsten kommt es zu Konflikten zwischen aufbegehrenden Studenten und den paramilitärischen Milizen der Pasdaran und Bassijis. Am Tag der Eröffnung der Konferenz haben einige hundert Studenten eine Rede Ahmadinejads an der Teheraner Universität mit Buhrufen gestört. Bilder mit dem Konterfei des Präsidenten wurden verbrannt, begleitet von Rufen wie: »Nieder mit der Diktatur«, »Freiheit ist unser verbrieftes Recht« und »Das Volk will Brot, keine Bombe«. Agenturmeldungen zufolge kam es am Ende der Kundgebung zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit den Revolutionswächtern, zahlreiche Studenten wurden verletzt und festgenommen.

In der internationalen Politik ist Ahmadinejad erfolgreicher. Der Bericht der Iraq Study Group empfiehlt unter anderem direkte Verhandlungen mit dem Iran, um den Irak zu stabilisieren. Allerdings ist es vor dem Hintergrund des Atomstreits und der von der US-Regierung angestrebten Sanktionen unwahrscheinlich, dass es zu einer Zusammenarbeit im Irak kommt. Zudem ist Ahmadinejad bei vielen Arabern beliebt, nicht aber bei deren Regierungen. Vor allem Saudi-Arabien, das wie der Iran die Vorherrschaft in der Golfregion anstrebt, fürchtet den wachsenden iranischen Einfluss. Die Konkurrenz der regionalen Mächte könnte zu einem atomaren Wettrüsten im Nahen Osten führen.

Da kann es nützlich sein, die internationale Aufmerksamkeit, insbesondere in den arabischen und islamischen Ländern, auf den israelisch-palästinensischen Konflikt zu lenken und damit vom eigenen Atomprogramm abzuwenden. Die Synchronität belegt diese Strategie, seine Tiraden gegen Israel veröffentlicht Ahmadinejad meist dann, wenn internationale Verhandlungen zur Lösung des Atomstreits anstehen.

Möglicherweise hofft er, das Atomprogramm, begleitet von ständiger internationaler Kritik, aber ohne ernsthafte Sanktionen fortsetzen zu können. Nordkorea praktiziert diese Strategie recht erfolgreich, die Zahl der Atommächte wächst, und dass der Ministerpräsident Ehud Olmert Israel angeblich unter sie einreihte, dürfte Ahmadinejad gelegen gekommen sein. Das iranische Außenministerium fordert nun Sanktionen gegen Israel.