Alles wird besser

Der HSV steigt im Jahr 2007 aus der Bundesliga ab, und auch sonst wendet sich das Schicksal. Eine euphorische Vorausschau von elke wittich

Gut? Schlecht? Jahre können nichts sein, außer abgelaufen, laufend und kommend. Insofern ist das, was am 1. Januar begonnen hat, nichts weiter als der Zeitraum mit der laufenden Nummer 2007 – mit ein bisschen Glück allerdings immerhin der Zeitraum, in dem der Hamburger SV, einer der überflüssigsten und langweiligsten Fußballvereine der Welt, zum ersten Mal und endlich aus der Bundesliga absteigt. Insofern könnte 2007 mit einigem Recht doch als gutes Jahr in die Geschichte eingehen.

Das bedauerlicherweise jedoch, wie seine Vorgänger auch, mit Silvester enden wird, genauer: mit Silvesterparties, die in toto, neben Achterbahnen, zum Verabscheuungswürdigsten gehören, was jemals zum Zeitvertreib ersonnen wurde. Silvesterparties gehen so: Man steht herum, hört Musik, unterhält sich, isst, trinkt und tut, was man halt auf Feiern so tut, bis es plötzlich auf Mitternacht zugeht und sich selbst die nettesten Menschen plötzlich in selbstmitleidige Gestalten verwandeln, die jeden einzelnen persönlichen Rückschlag des gerade ablaufenden Jahres en detail bejammern.

Ob ein Jahr im Rückblick als gut oder schlecht beurteilt wird, hängt dabei fast immer von den anderen ab, die uns verlassen, lieben, Jobs geben, feuern, mobben, loben, mögen, einladen, beim Umziehen helfen, unterhalten, langweilen, verzeihen, vertrauen, hintergehen, zum Lachen oder Weinen bringen. Dinge wie Mehrwertsteuerer­höhungen, die aktuellen Energiepreise oder Gesundheits- und andere Reformen kommen in persönlichen Rückschauen und Aufzählungen all der Ereignisse, vor denen man sich im neuen Jahr fürchtet, dagegen nie vor.

Wird 2007 also gut? Vielleicht, vielleicht auch nicht, je nach dem eben, ob wir verlassen oder geliebt, gefeuert oder eingestellt, zum Lachen oder zum Weinen gebracht werden. Und ob, wenn alles schiefgeht, genügend Ablenkung vorhanden ist. 2007 verspricht in diesem Punkt durchaus gut zu werden, nicht nur, weil in ungeraden Jahren keine Fußballwelt- und -europameisterschaften stattfinden und man in den Innenstädten ungestört von auf Riesenbildschirme starrenden und vor Ladeneingänge kotzenden besoffenen Fanhorden frustshoppen können wird.

2007 wird ein gutes Jahr, weil schon in wenigen Tagen die neue Staffel von »Deutschland sucht den Superstar« startet und weil spätestens im Frühjahr ein neues Topmodel gesucht wird. Dazu kommen die in den USA bereits laufende letzte Sopranos-Staffel, die binnen kurzem auf DVD erhältlich sein wird, und das hoffentlich erfolglose Comeback von Henry Maske. Und im Februar eine neue Staffel von »Big Bro­ther«, des Formats also, das im Ausland ungebrochen erfolgreich läuft, von den deut­schen Verantwortlichen allerdings durch blödsinniges Bewohnercasting derart verkackt wurde, dass es menschlichem Ermessen nach diesmal einfach nicht mehr tiefer sinken kann.

Das alles und ein bisschen mehr Harald Schmidt (in der neuen alten Rateshow »Pssst«) ist für viele Stunden Ablenkung und Unterhaltung gut. Und auch sonst scheint 2007 rein optisch nicht schlecht zu werden: Die Zahl der Trottel in Deutschland-Trikots wird ebenso rückläufig sein wie der dickbeinigen Teenies mit in die Stiefel gestopften viel zu engen Jeans, die Modefarbe Lila steht dazu fast jedem, ein neuer Tattootrend wie das unsägliche Arsch­geweih ist nicht in Sicht, nachdem ein gutes Viertel der deutschen Bevölkerung eingesehen hat, wie teuer, schmerz­haft und erfolglos Laserbehandlungen sind, und mit orangenen oder hellgrünen Accessoires aufgepeppte Wohnungen machen automatisch gute Laune.

Auch 2007 wird es einen Sommer geben, mit Badengehen und Flipflops oder hochhackigen Sandalen und kurzen Röcken und Melonen und Cocktails und furchtbarem Kater und Himbeeren, und man wird die halbe Nacht draußen sitzen und sich verliebt in die Augen gucken und Tretboot fahren und überall Rosen-Eis kaufen können und, und, und. Mit ein bisschen Glück wird man nicht krank und nicht verlassen und nicht enttäuscht und nicht gefeuert und nicht gemobbt und nicht betrogen und nicht allzu oft zum Weinen gebracht. Viel mehr kann man sich von einem Jahr nicht wünschen. Außer vielleicht, dass Schalke Meister wird, aber ein paar Sachen muss man sich ja auch für die kommenden Jahre aufsparen.