Alles wird schlechter

Das Jahr 2007 wird regnerisch und todlangweilig – daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Schalke Meister wird. Ein Jahreshoroskop von ivo bozic
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Im Jahr 2007 wird alles schlechter. Daran führt kein Weg vorbei. Der wichtigste Grund dafür ist ein ganz einfacher: Wir alle werden auch in diesem Jahr wieder älter. Das Älterwerden ist nicht etwa, wie landläufig behauptet wird, ein individuelles Schicksal, eine Privatangelegenheit, über die man hier nicht zu sprechen bräuchte, sondern ein allgemeines, ein kollektives, ein globales Phäno­men. Mit jedem Jahr, das wir altern, nähern wir uns weiter unserem Tod. Wir alle, alle, ja! Was soll daran gut sein? Welches positive Ereignis im Jahr 2007 könnte dies wettmachen? Die Meisterschaft des FC Schalke 04? Das Scheitern der so genannten Gesundheitsreform? Nein, nicht einmal das.

Außerdem: Der Hundertjährige Kalender sagt bis Mitte April Ekelwetter voraus und auch der Mai soll mäßig werden, der Sommer dann schön verregnet, und ab Anfang November wird’s so richtig schmutzig. Die Erderwär­mung wird also auch in diesem Jahr nicht wirk­lich in Schwung kommen. Dass wir nach der Silvesterparty unsere Handschuhe im Taxi liegen gelassen haben, wird uns das ganze Jahr über ärgern.

Politisch brennt überall der Wald, aber die Linke wird uns im gesamten ersten Halbjahr mit einer »Mobilisierung« zu einem x-beliebigen Gipfel-Treffen nerven, im zweiten Halbjahr wollen die dort getätigten Polizeiübergriffe aufgearbeitet werden. Man könnte sämtliche Artikel dazu schon jetzt schreiben, ohne dass es nachher irgendwem auffällt. Von den Politikern, die 2007 eine Rolle spielen werden, ist einer abstoßender als der andere: Beck, Koch, Lafontaine. Die Große Koali­tion wird dauerkriseln, aber das wusste man schon bei ihrer Konstituierung.

Und dann werden natürlich die Okto­berrevolution 1917 (90 Jahre) und der Deutsche Herbst 1977 (30 Jahre) das ganze Jahr über strapaziert, beim Spiegel liegen sicher schon zehn Titel-Entwürfe in der Schublade, die dann abwechselnd mit den Collagen zur Koalitionskrise (verschiedene Varia­tio­nen eines rot-schwarzen Adlers, der in der Mitte auseinanderbricht) und den üblichen Hitler-Bildchen die Kios­ke schmücken werden. Ganz sicher hat noch jemand eine Ent­hül­lungs­story über Trotzki am Start, womöglich sogar über Lenin, da kann man drauf wetten. Irgendein Tag wird der wärmste, kälteste, stürmischste oder nebligste in der Geschichte sein, und alle werden ganz fickrig wegen des Klimawandels. Bei der Bremer Bürgerschaftswahl wird die DVU noch mal dazugewinnen, und die Nachrufe auf Fidel Castro und Ariel Sharon sind schon geschrieben. Im Grunde ist das Jahr schon Geschichte, bevor es richtig begonnen hat. Höchstens das plötzliche Auftauchen eines Problembären oder die Kapitulation Harald Schmidts in der ARD könnte uns kurz aus der Lethargie reißen.

Zuerst wird uns alle aber die Mehrwertsteuer ganz ungeheuer schocken und dann noch mal die Krankenkassenbeiträge, und dann werden wir denken, es wird alles immer schlechter, doch das stimmt gar nicht. Es ist noch schlimmer: Das meiste bleibt so, wie es ist. Oder wiederholt sich. Das ist die Katastrophe. Oder dies: Die »A Bigger Bang«-World-Tour der Rolling Stones, die bereits 2005 begann und sich dann auch noch über das Jahr 2006 hinzog, soll auch in diesem Jahr fortgesetzt werden. Da fehlt ja nur noch ein neuer Harry-Potter-Film. Nein, natürlich nicht, er startet am 27. Juli. Da könnt ihr euch schon mal anstellen, liebe Kinder.

Wenn etwas überraschend sein wird, dann wird es wohl etwas Schlechtes sein: Schalke wird doch nicht Meister. Oder ein al-Qaida-Anschlag auf den Är­melkanal-Tunnel. Eine aus der Kontrol­le geratene Weltraumstation. Das alles wollen wir nicht hoffen. Aber was wollen wir hoffen? Dass wir bei all der Lan­geweile wenigstens gut schlafen können! Zum Beispiel. Und nun fragen Sie sich sicher: »Wo bleibt das Positive?« Und wie der gute Erich Kästner kann ich nur sagen: »Ja weiß der Teufel, wo das bleibt.«

Gibt es denn gar keine Lichtblicke? Doch, doch, gemach! Die Jungle World wird zehn Jahre alt, wenn sie es bis zum Juni schafft. Das gibt ’ne dicke Sause, aber hallo! Da trinken wir uns einfach so mächtig einen an, dass wir erst kurz vor Silvester wieder langsam zu Bewusst­sein kommen, und dann ist dieses Drecks­jahr ja auch schon fast vorüber. Dann kommt das völlig beknackte 2008 – und wir sind wieder älter. Na, danke auch!