Goodbye, Godfather!

Soul Brother Number One, The Boss, Godfather of Soul: James Brown, der Mann mit den vielen Namen, ist gestorben. von markus ströhlein

Für tot erklärt wurde er bereits im Jahr 1991. »James Brown is dead« hieß das Stück einer niederländischen Band mit dem Namen L. A. Style, in dem die Stimme eines vermeintlichen Nachrichtensprechers das Ableben Browns verkündete. Dementiert wurde diese Behauptung noch im selben Jahr von der ebenfalls aus den Niederlanden stammenden Kapelle Holy Noise and the Global Insert Project mit dem Lied ­»James Brown is still alive«. Den Reigen unerträglich schlechter Kirmestechnosongs aus Holland, die in ihrem Titel Brown anführten, beendete eine Kapelle mit dem programmatischen Namen Traumatic Stress mit der Frage: »Who the fuck is James Brown?«

Es ist unklar, ob James Brown überhaupt Notiz von diesen musikgeschichtlichen Verirrungen genommen hat. Schließlich waren die niederländischen Bands nicht die ersten, die ihn besangen. Eine ziemlich rührende Hymne auf den Mann aus Augusta gelang Nancy Du­pree and the Schoolkids. Ihr Stück aus dem Jahr 1970 ist schlicht nach ihm benannt. Die Lehrerin Dupree begleitet darin ihre Schulkinder am Piano, sie singen aus Leibeskräften ein Loblied auf Browns Musik, Frisur, Tanzschritte und seinen Weg aus der Armut an die Spitze der Charts. Und im selben Jahr, als man in den Niederlanden recht leicht in die Top Ten gelangen konnte, wenn man in den Liedtitel nur den Namen des »Godfather of Soul« einbaute, sang auch Prince in dem Stück »Get off« von »James«.

Als im Zug der technologischen Entwicklung die Handarbeit in der Musikproduktion nicht mehr zwingend notwendig war und man mit Hilfe eines Samplers einfach geeignetes Material digital kopieren konnte, wurde natürlich eifrig Browns Musik geplündert. Massive Attack, De La Soul, Salt-N-Pepa, Public Enemy, Ice Cube, Ice T, Sinead O’Connor, sie alle haben sich bei James Brown bedient. Wer ein Bild davon erhalten will, wie weit im HipHop Samples des Sängers verbreitet sind, sollte eher fragen, wer denn keine verwendet hat. James Brown ist wohl der am häufigsten gesamplete Musiker der Welt.

Auf die Frage, wen James Brown beeinflusst hat, erhält man eine beeindruckende Liste: Miles Davis berief sich am Anfang der siebziger Jahre auf ihn. Mick Jagger wäre ohne ihn vielleicht nicht so weit gekommen: »Er war zu mir sehr großzügig und unterstützend in den Anfangstagen der Rolling Stones.« David Bowie, Michael Jackson und Prince haben sich ihr extravagantes Auftreten sicher zu einem Teil bei Brown abgeschaut. Und der Rapper Snoop Dogg äußerte sich so: »Er war meine Inspira­tion.«

James Brown hatte sich keineswegs zur Ruhe gesetzt. 2006 befand er sich auf einer Welttournee. Und eigentlich wollte er in der Silvesternacht in New York auftreten. Doch in der Nacht des 24. Dezember ist er gestorben. Dieses Mal wirklich. Er ist 73 Jahre alt geworden. Seinen Ruhm und seine große künstlerische Wirkung verdankte er unter anderem seiner Rührigkeit. Auch wenn er ihn sich selbst verliehen hatte, hatte er den Titel »hardest working man in show business« sicher verdient. Die Liste seiner Veröffentlichungen ist unüberschaubar.

Das Besondere seiner Platten hat Chuck D von Public Enemy so in Worte gefasst: »James hatte ganz klar die besten Grooves. Bis heute gibt es niemanden, der so funky war. Niemand kommt ihm auch nur nahe.« Tatsächlich hätte der selbst ernannte Godfather of Soul eigentlich der Godfather of Funk heißen müssen. Den Stil hätte es ohne ihn nicht gegeben.

Dabei bestimmte die Musik zunächst nicht unbedingt sein Leben. Seine ver­armte Familie wohnte in Augusta im US-Bun­desstaat Georgia. Als Kind muss­te er Baumwolle pflücken und Schuhe putzen. Mit 16 Jahren wurde er nach einem bewaffneten Überfall gefasst und saß drei Jahre in einer Jugendstrafanstalt. Nach seiner Entlassung versuchte er sich als Boxer und Baseballspieler. Seine sportliche Karriere scheiterte aber an einer Beinverletzung.

Seine erste Band The Famous Flames spielte schnörkellosen Rhythm and Blues. Auf »Please, please, please« von 1956 hört man zudem, dass er zuvor in einem Gospelchor gesungen hatte. Nach den kleinen, anfänglichen Erfolgen in diesem Stil klang »Night train« von 1961 anders. Der Rhythmus ist härter, die Bläser sind akzentuierter, und Brown schreit lediglich von Zeit zu Zeit den Songtitel heraus. »Out of sight« von 1964 trieb die Entwicklung weiter. Der Aufbau des Stücks ist einfach. Das Schlagzeug ist sehr präsent. Und auch der Gesang ist eher rhythmisch als melodisch.

Einfacher und härter sollten die Songs sein, »funky« eben. »Cold Sweat« von 1967 liefert ein gutes Beispiel. Nur ein einziges Mal wechselt der Akkord. Am Ende der sechziger Jahre wurde beinahe alles in Browns Songs zum Rhythmus. Seine Methode erklärt er in seiner Autobiografie so: »Die Bläser, die Gitarre, der Gesang, alles wurde dazu verwendet, Rhythmen zu erzeugen. Ich habe versucht, alle Aspekte der Produktion zu den rhythmischen Mustern beitragen zu lassen.«

Mit seiner neuen Band The JB’s, mit der er ab 1970 spielte, erreichten die Vereinfachungen und rhythmischen Zuspitzungen ihren Höhepunkt. Die Platten »The Pay­back« und »Hell« zählen zu Browns besten. Mit ihnen und etlichen anderen hat er wohl die Clubmusik erfunden. Wer heutzutage zu den Stilen HipHop, House oder einem ihrer Derivate tanzt, sollte sich bei James Brown bedanken.

In den Augen seiner Zeitgenossen in den Sechzigern und Siebzigern hat er natürlich nicht nur einfache Tanzmusik produziert. Ein Redner nannte ihn auf einer Black-­Power-Konferenz 1968 »die Nummer eins der schwarzen Poeten«. Mit »Say it loud: I’m black and proud« gab er dieser Bewegung einen programmatischen Song.

Dabei waren seine Ansichten nicht mit allen ihren Richtungen vereinbar, wie er in seiner Autobiografie sagt: »Black Power bedeutete Verschiedenes für verschiedene Menschen. Für manche war es ein schwarzer Stolz und die Tatsache, dass schwarze Menschen Firmen besitzen und eine Stimme in der Politik haben. Das bedeutete es für mich.« Ein weiteres politisches Stück hieß »I don’t want nobody to give me nothing (Open up the door, I’ll get it my­self)!«

Die Forderungen nach gleichen Bürgerrechten, Teilhabe und Integration standen im Gegensatz zu denen der schwarzen Nationalisten in der Black-Power-Bewegung. Brown befürwortete zwar die Selbstverteidigung gegen rassistische Angriffe. Schließlich kam er aus dem Süden der USA. Doch der politische Kampf sollte gewaltfrei bleiben. Dafür kritisierten ihn die Militanten in der Bewegung. Seine Verbindungen zu Richard Nixon wurden ihm ebenso zum Vorwurf gemacht wie die Tatsache, dass er während des Vietnam-Kriegs »America is my home« sang und Truppenbesuche abhielt.

Manche seiner Ansichten mögen auf den ersten Blick auch naiv oder falsch wirken. Aber ihm, einem schwarzen Jungen aus dem armen Süden, war es gelungen, reich und berühmt zu werden. Warum sollte es da der schwarzen Bevölkerung nicht gelingen, trotz einer oftmals feindseligen Gesellschaft ebenfalls ihren Platz zu finden?

Er habe nie gewählt, schrieb Brown in seiner Autobiografie. »Ich bin Humanist, kein Politiker«, sagte er. Vor allem war er aber Musiker. Nun ist er zwar tot, hat uns jedoch sehr viele großartige Platten hinterlassen. Und wie sagten schon Holy Noise and the Global Insert Project? »James Brown is still ­alive!«