Familientreffen zum Frankfurter Kranz

Am kommenden Wochenende findet in Frankfurt am Main ein Kongress der Linkspartei statt. Unter dem Motto »Get up, stand up« beschäftigt man sich mit sich selbst. von jesko bender

Was macht Frankfurt so attraktiv für Linke, dass sie hier neuerdings fast monatlich auf Kongressen über ihre Zukunft debattieren? Sind es die zahlreichen Banken, die die Globalisierungsgegner schaudern lassen und in Faszination versetzen, oder die Namen Adorno und Horkheimer, deren Aura die Anhänger der Kritischen Theorie hierher zieht, oder doch die Hoffnung mancher junger Autonomer, irgendwo noch einen Pflasterstein zu finden, der, von einem alten Autonomen geworfen und von einem Polizeihelm abgeprallt, im Gebüsch liegen könnte?

Nachdem Ende November auf Einladung des Bundes demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die universitär und eher an der Kritischen Theorie orientierte Linke über »Ungleichheit als Projekt« diskutiert hatte, traf sich am ersten Januarwochenende der etwas wortkargere, aber schlagkräftige Nachwuchs der Antifa auf dem Jugendantifakongress »Antifa – make it real!«

Bei so viel zukunftsorientierter Diskussionsfreudigkeit will offenbar auch die Linkspartei nicht feh­len. Ihr Hochschulnetzwerk veranstaltet am kommen­den Wochenende an der Frankfurter Universität unter dem Titel »Get up, stand up« ebenfalls einen Kongress. Der sehr knapp gehaltenen Ankündigung zufolge sollen die Teilnehmer dort darüber diskutieren, »wie Hochschule und Gesellschaft zusammen­hängen, ob eine andere Politik möglich ist und welche Rolle die neue Linke dabei spielen kann«.

Eröffnet wird das Treffen am Freitagnach­mittag nicht wie üblich mit einer Podiumsdiskussion, sondern mit »Crash-Kursen« zur »Einführung in die Kritische Wissenschaft«. Oliver Nachtweih von der Hochschulgruppe der Linkspartei in Göttingen wird anhand von Marx und Negri einen Überblick über verschiedene Spielarten der Kapitalismuskritik geben. Nele Hirsch, die für die Linkspartei im Bundestag sitzt und bildungspolitische Sprecherin ihrer Fraktion ist, wird zusammen mit anderen Mitgliedern der Hochschulgruppen der Linkspartei über den »neoliberalen Umbau der Hochschulen« berichten. Des Weiteren stehen die klassischen Themen Rassismus und »Krieg und Imperialismus« auf dem Programm. Immer­hin findet auch ein Workshop über Queer Theory statt.

Wer sich für Queer Theory interessiert, sollte jedoch nach diesem Workshop die Gebäude der Frankfurter Universität verlassen. Denn die anschließende Podiumsdiskussion wird der Journalist Jürgen Elsässer moderieren, der sich jüngst darüber beschwerte, dass mit staatlichem Geld »Multikulti, Gendermainstreaming und die schwule Sub­kultur gefördert« werde, indes »die Proleten auf Hartz IV gesetzt werden«. Mit ihm werden Oskar Lafontaine und Katja Kipping von der Linkspartei, Sybille Stamm von Verdi und der Jenaer Sozio­logieprofessor Klaus Dörre über »Die Linke im Zeitalter der Unsicherheit« diskutieren. Treffsicher besetzt haben die Veranstalter des Kongresses mit Elsässer auch den Workshop »Wie viel Populismus verträgt die Linke, wie viel braucht sie?«

Am Samstag und Sonntag können sich die Teilnehmer der Veranstaltung in rund dreißig Workshops mit den Themen »Bildungs- & Hochschulpolitik«, »Linke Strategien gegen den Neoliberalismus« und »G8, Globalisierung und Widerstand« auseinandersetzen.

Und weil Frankfurt seit den Protesten der Studierenden nicht nur die Sehnsucht der Linken nach Bewegung befriedigt, sondern sich der Legende nach unter dem dortigen Pflaster auch der Strand befindet, ist es eigentlich kein Wunder, dass der Kongress der Linkspartei hier statt­findet. Im Sommer steht schließlich der G8-Gipfel an, und vielleicht, so mögen die Veranstalter hoffen, lässt sich die Leidenschaft der Studieren­den ja auch bei den Aktionen am Strandbad Hei­ligendamm entfachen. Über das Verhältnis zwischen Studierendenprotesten, der globalisierungs­kritischen Bewegung und der Partei will man auf dem Kongress jedenfalls schon jetzt diskutieren. Denn am Ostseestrand wird wohl kaum Zeit dafür sein.