IM Bischof geht

Polnische Priester und die Stasi von kerstin eschrich

Das war ein Heulen und Zähneklappern unter vielen Katholiken in Polen, als der ach so ehrenwerte designierte Erzbischof von Warschau, Stanislaw Wiegus, kurz vor seiner Amtseinführung seinen Verzicht erklärte. So hatten sich einige der fleißigen Wählerinnen und Wähler der Gebrüder Kaczynski die Sache doch nicht vorgestellt. Mit eisernen Besen wollten Lech und Jaroslaw Kaczynski auskehren und die kommunistischen Überbleibsel in der Gesellschaft hinwegfegen. Das hatten sie vor der Wahl versprochen. Nicht zuletzt ihr antikommunistisches Gebaren hatte sie an die Macht gebracht.

Im Gegensatz zu seinem Zwillingsbruder, Staatspräsident Lech, hatte es sich Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski gleich gespart, bei dem Sonntagsgottesdienst anwesend zu sein, in dem Wiegus seine Kontakte zum realsozialistischen Geheimdienst zugab. Lech applaudierte, als Wiegus seinen Rücktritt verkündete, hörte aber sofort damit auf, als die Mehrheit der Anwesenden nicht einstimmte. Für Angehörige einer Partei, die so eng mit der katholischen Kirche verflochten ist und sich immer wieder auf diese beruft, eine riskante Situation.

Die katholische Kirche ist für die Mehrheit der Polen eine wichtige und richtungsweisende Instanz. Wiegus hat viele Anhänger gerade auch unter den fundamentalistischen Katholiken, die wie er das antisemitische Radio Maryja unterstützen. Unter den Kirchenbesuchern war die Forderung, die Vergangenheit ruhen zu lassen, weit verbreitet.

Erst seit Herbst gibt es das so genannte Lustrations-Gesetz, das die Überprüfung von Lehrern, Journalisten und Bürgermeisterkandidaten vorsieht. Hatten die Polen doch mit ihrer starken Gewerkschaftsbewegung und dem Widerstand ihrer katholischen Kirche sowieso aller Welt gezeigt, wie wenig sie mit dem real­sozialistischen System zu tun hatten. Dass nun das Bild der unerschrockenen katholischen Kämpfer getrübt ist, verletzt das Selbstverständnis von vielen Gläubigen.

Sicher wurden die Gebrüder Kaczynski davon überrascht, mit welcher Vehemenz viele Katholiken auf den Rücktritt Wiegus’ reagierten. Aber die Kaczynskis dürften sich unter säkularen Polen Sympathie erworben haben. Denn diese empfinden eine gewisse Schadenfreude über die Niederlage der selbstgerechten katholischen Kämpfer gegen den Kommunismus, wie Wiegus einer war.