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Es ist teuer und hat kein UMTS. Warum wollen alle das iPhone von Apple? von boris mayer

Gerüchte, dass Apple ein Handy auf den Markt bringen könnte, gab es schon lange, hatte das Unternehmen doch bereits im Jahr 1999 die Domain www.iphone.org auf sich registrieren lassen. Und Unternehmenschef Steve Jobs hatte vier Jahre später erklärt, der Markt für PDAs, kleine tragbare Computer, sei uninteressant, weil er wegen der Mobiltele­fone immer weiter schrumpfen werde. Ebenfalls im Jahr 2003 meldete Apple in mehreren Ländern das Wort »iPhone« als Marke an.

Doch es mussten vier wei­tere Jahre vergehen, bis Jobs in seiner Keynote auf der Mac­world in San Francisco endlich das iPhone ankündigte. Nach einem knapp halbstündigen Vortrag über Verkaufs­zahlen, das neue Apple TV, Video-Downloads und ironischen Anmerkungen über den jüngsten Konkurrenten im Markt für mp3-Player, Microsofts Zune, war es endlich so weit. »Auf diesen Tag habe ich mich zwei­einhalb Jahre gefreut«, begann Jobs, es folgte ein kurzer Rückblick auf die erfolgreichsten Innovationen, den Macintosh von 1984 und den ersten iPod aus dem Jahr 2001. »Heute stellen wir gleich drei revolutionäre Produkte in dieser Größenordnung vor: Das erste ist ein WideScreen-iPod mit berührungssensitiver Bedienung. Das zweite ist ein revolutionäres Mobiltelefon. Und das dritte ist ein für einen Durchbruch sorgendes Internet-Kommunika­tionsgerät.« Mit viel Gespür für Dramaturgie wiederholte Jobs diese drei Punkte, bis er endlich enthüllte: »Dies sind keine drei eigenständigen Geräte. Dies ist ein Gerät, und wir nennen es das iPhone. Apple erfindet heute das Telefon neu.«

Doch stimmt das wirklich? Viele der Funktionen des iPhone gibt es bereits: Handys mit eingebautem mp3-Player, Handys mit W-Lan, Handys mit Touch­screen und ohne Ein-Tastaturfeld, Handys mit echtem Internet-Browser und nicht nur dem abgespeck­ten WAP. Wo ist also das Neue, wo ist das »Revolutionäre«?

Revolutionäres muss nicht immer neu sein. Manch­mal ist es auch einfach nur die Zusammenstellung bereits vorhandener Möglichkeiten, die ein Gerät interessant macht. Wie beim iPhone: Alles in einem, und das auch noch von einer Firma, die in den vergangenen Jahren immer wieder durch die ausgesprochen schönen Designs ihrer Produkte aufgefallen ist. Einer Firma, die neben dem Design der Ergonomie sehr großen Stellenwert einräumt und den Ruf hat, einfache Bedienbarkeit mit vielfältigen Mög­lichkeiten zu kombinieren. Wenn die Einzel­teile zudem noch jedes für sich einem wesentlich mehr Funktionen bieten und die ge­samte Funktionalität homogen zusammen­geführt wurde, kann das fertige Produkt durchaus die Qualität erreichen, die man braucht, um als Neueinsteiger eine ganze Branche zu revolutionieren.

Aber es gibt ja auch wirklich Neues. Zum Beispiel, Eingaben auf einem Touchscreen mit mehr als einem Finger zu tätigen. So kann man in ein Bild oder eine Website hineinzoomen, indem man praktisch mit Daumen und Zeigefinger den gewünschten Bereich anfasst und ihn einfach aufzieht, wofür man die Finger spreizt oder zusammenführt. Zudem schaltet das Display die Anzeige automatisch vom Hochformat ins Querformat um, wenn man das Telefon dreht. Das Handy erkennt, wenn es ans Ohr gehalten wird, regelt die Lautstärke und schaltet den Touchscreen aus, um Fehleingaben zu vermeiden und Strom zu sparen. Auch die Helligkeit des Bildschirms wird automatisch an die Umgebung angepasst.

In der schnelllebigen Mobilfunkbranche gilt es als besonders folgenschwer, Trends zu verschlafen. Ein aktuelles Beispiel sind die Siemens-Funker, die einige Neuerungen wie das Klapphandy und die integrierte Kamera unterschätzt hatten, die 65er-Serie wegen Softwarefehlern zurückrufen mussten, den chinesischen Markt völlig ignorierten und jetzt ein Fall für den Abwickler sind. Ist also zu befürchten, dass Apple mit dem Eintritt in diesen Markt nun eine der bisher übermächtigen Firmen wie Nokia, Motorola oder Sony-Ericsson in den Konkurs treibt? Das gewiss nicht. Besonders Nokia hat bereits bewiesen, dass es Fehler in seiner Produktpalettenplanung wieder ausbügeln kann, nachdem es vor zwei Jahren eigentlich viel zu spät auf die UMTS-Entwick­lung reagierte und den Entwicklungsrückstand in Rekordzeit aufholte. Außerdem zielen die iPhones auf die besser verdienende Kundschaft, die Geräte werden in absehbarer Zeit nicht für einen Euro bei Vertragsverlängerung zu haben sein. Die ersten Modelle werden in den USA mit Vertrag, also schon deutlich subventioniert, je nach Speicherausstattung 499 beziehungsweise 599 Dollar kosten.

Allerdings fehlen dem iPhone einige Funk­tionen. So sollen UMTS-Modelle erst später folgen, MMS, also SMS mit Bildern, erwähn­te Jobs bei seiner Präsentation mit keinem Wort, Videotelefonate sind nicht möglich, obwohl doch das Unternehmen Apple als eine der ersten Firmen Webcams in seine Computer einbaute, und der Akku soll bei Internetnutzung oder Telefonaten gerade mal fünf und bei Nutzung als Music-Player nur 16 Stunden halten. Wer das Gerät wirklich nutzen will, der sollte auch ein etwas größe­res Datenpaket zu seinem Vertrag buchen oder, besser noch, gleich eine Flatrate abschließen. Denn wenn der Mail­client mal eine E-Mail mit einer lustigen Power-Point-Datei als Anhang abholt, fallen da auch gleich mal ein paar Megabyte Datentransfer an. Das alles sind viele Nachteile für ein Gerät, das doch so großartig sein soll.

Aber gerade diese Nachteile zeigen, wie sexy dieses Gerät ist; jeder versucht, einen Grund dafür zu finden, warum das kleine, flache und schwarz glänzende Handy doch nicht der große Knaller ist, und findet doch nur ein paar Schönheitsfehler. Denn wer nutzt schon MMS statt E-Mails oder hält Videokonferenzen von unterwegs ab? So sieht das auch die Börse: Der Kurs von Apple zog stark an, die Kurse der alteingesessenen Handyhersteller schwächelten.

Beeindruckend war auch das allgemeine Medien­echo. Apple hatte am Morgen nach der Vorstellung mehr Presse als die etwa 2700 Aussteller der gleichzeitig stattfindenden Consumer Electronics Show in Las Vegas zusammen – dabei hat die Messe längst mehr Bedeutung als die Cebit. »Die ganze Veranstaltung bläst Trübsal wie ein verlassener Freund. Es scheint so, als sei jeder hier zur falschen Party gegangen«, beschrieb ein Reporter die trostlose Stimmung auf der Messe nach Jobs Auftritt. Auffallend ist, dass auch die kritischen Berichte der nicht Dabeigewesenen zum Thema iPhone mit einem Absatz enden, in dem der Autor jeweils noch einmal explizit darauf hinweist, dieses Telefon haben zu wollen. Und zwar am besten sofort.

Zu haben soll es in den USA allerdings erst im Juni sein, im dritten Quartal 2007 ist dann Europa dran, Asien soll erst im nächsten Jahr folgen. Viel Zeit für das bei der Produktionsentwicklung als sehr verschwiegen geltende Unternehmen, UMTS nachzurüsten, den iTunes Musicstore auch vom iPhone aus nutzbar zu machen oder auch einfach nur die MMS-Funktion zu implementieren.

Aber egal, ob oder was am Ende noch dazu kommt, das iPhone wird seine Käufer finden. Es wird teuer sein, aber es ist verdammt hübsch. Gleichzeitig kann es eine Menge spektakuläre Sachen und lässt sich trotzdem einfach bedienen, auch ohne einige hundert Seiten Handbuch zu wälzen. Es ersetzt definitiv den PDA und in vielen Fällen auch ein Notebook, wenn denn die rich­tigen Programme zur Verfügung stehen und das werden sie, da das iPhone als Betriebssystem OS X benutzt – was Apple auch auf den eigenen Computern einsetzt.

Ich möchte so ein Ding haben. Jetzt und auf der Stelle. Aber es sind leider noch über 200 Tage bis zum vierten Quartal, in dem es endlich in Europa erhältlich sein wird. Mal sehen, wie wir die Zeit rumkriegen.