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Der grässliche März

Günter Grass. Dass er Mitglied der Waffen-SS war, konnte er sich ver­zeihen. Schließlich hat er sich diese »Jugendsünde« in seinem Buch »Beim Häuten der Zwiebel« so schön authentisch »von der Seele ge­schrieben«. Dass er sich im vergangenen Jahr von einigen Seiten des­halb Vorwürfe eingehandelt hat, hat anscheinend stark an ihm genagt. Doch bald schlägt Günter Grass zurück. Nach den Aussagen seines Freunds, des Literaturprofessors Volker Neuhaus, im Kölner Express wird der Autor im März den Gedichtband »Dummer August« veröffentlichen. Der Titel sei eine Anspielung auf den vergangenen August, in dem die Debatte um Grass ihren Höhepunkt erreichte. »Es war ein grässlicher August für Grass«, sagte Neuhaus im Gespräch mit der Zeitung in der vergangenen Woche. Um die ihm zugefügten Leiden überhaupt zu bewältigen, konnte es der Autor anscheinend nicht nur beim Dichten belassen. Er hat auch Selbst­porträts gezeichnet, um die lyrischen Ergüsse zu illustrieren. »Eines zeigt ihn mit spit­zem Hut. Da kann man an die spitzen Hüte denken, die Juden im Dritten Reich tragen mussten«, berichtete Neuhaus weiter. Wenn sich der ehemalige Waffen-SS-Soldat Grass dann also als selbst ernannter Jude unter den Schriftstellern verkaufen lässt, droht nicht nur ein dummer März. Grässlich wird er werden. (mst)

Ein Edelmann unter Kretins

Ismail Cem. An diesen Kabinettstisch passte Ismail Cem nicht. Dort saß auch der Minister Osman Durmus, der sich bei dem großen Erdbe­ben vom August 1999 damit hervortat, Blutkonserven aus Griechenland abzulehnen, weil diese das »türkische Blut« verunreinigten. Cem hingegen nutzte als Außenminister die angesichts der Hilfe aus Grie­chenland freundliche Stimmung in der türkischen Bevölkerung dazu, um mit seinem griechischen Amtskollegen Giorgos Papandreou die Beziehungen zwischen beiden Staaten zu verbessern. Die Annäherung schuf die Grundlage für seinen größten Erfolg als Politiker, näm­lich die Anerkennung der Türkei als EU-Beitrittskandidatin.

Ismail Cem war keiner der korrupten Kretins, die für gewöhnlich die türkische Politik bestimmen, er war ein Intellektueller, den nur unglückliche Umstände in die Politik verschlagen hatten. Nachdem die Putschisten die von ihm herausgegebene linkssozialistische Zeitschrift Politika verboten hatten, schloss er sich in den achtziger Jahren der sozialdemokratischen Partei an. 1997 wurde er unter Bülent Ecevit Außenminister, fünf Jahre darauf trug er mit seinem Austritt aus der Partei erheblich zum Sturz der Regierung Ecevit bei. Seine im Alter von 30 Jahren verfasste »Geschichte der Rückständigkeit in der Türkei« ist bis heute ein Standardwerk. Am Mittwoch der vergangenen Woche starb Ismail Cem in Istanbul im Alter von 67 Jahren an Lungenkrebs. (dy)

Kein Lied mehr

Blumfeld. Überrascht ist man doch. Denn am Ende des vergangenen Jahres hatten Blumfeld noch ein eigenes Label gegründet. Im März werden auch tatsächlich die ersten drei Alben der Band auf Blumfeld-Tonträger wieder veröffentlicht. Noch dazu erscheint in dem Monat die CD-Box »Ein Lied mehr – The Anthology Archives Vol.1«. Mit einer Tour im April wollten Blumfeld die Veröffentlichungen feiern.

Nun werden sie ihren Abschied begehen. In der vergangenen Woche verkündeten die Hamburger auf ihrer Homepage: »Nach 16 Jahren Blumfeld hat Autor, Sänger und Gitarrist Jochen Distelmeyer in Absprache mit den übrigen Bandmitgliedern Andre Rattay, Vredeber Albrecht und Lars Precht beschlossen, die Band aufzulösen.« Doch keine Angst, liebe Freunde der Hamburger Schule! Von Tocotronic hört man keine schlimmen Neuigkeiten. Und so still ist es um sie, weil sie an einer neuen Platte arbeiten. (mst)

Copy and Pay

Urheberrecht. Wer ausdruckt, der klaut! So sieht es jedenfalls die Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort). Sie zieht die Tantiemen aus Zweitnutzungsrechten von journalistischen, wissenschaftlichen und literarischen Texten in Deutschland ein. Die Gesellschaft hat eine Ver­handlung vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf angestrengt, die sie nun aber verloren hat.

Nach dem Willen der VG Wort hätten die Hersteller von Computer­druckern rückwirkend bis 2001 eine Abgabe für jedes verkaufte Gerät zahlen sollen. Die verklagten Computerfirmen behaupteten hingegen, Drucker würden nicht vorwiegend dazu verwendet, urheberrechtlich geschützte Inhalte zu kopieren. Die VG Wort will nun beim Bundesgerichtshof klagen.

Gute Laune herrscht hingegen zurzeit bei der Gesellschaft für mu­si­kalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (Gema). Sie hat den Prozess gegen den Netzwerkanbieter UseNeXT gewonnen. Er hatte damit geworben, in seinen Foren Zugang zu mehr als einer Million Songs zu gewähren, die jedoch illegal von den Nutzern angeboten wurden. (mst)

Passkontrolle

Berlinale. Kaum ist der Mensch geboren, wird er einer Nation zugeschlagen. Die Macher des Filmfestivals Berlinale begegnen diesem überaus kritikwürdigen Zustand jedoch auf ihre eigene Weise. Sie haben die Schauspielerin Hiam Abass eingeladen, Mitglied der internationalen Jury des Festivals zu werden. Vorgestellt wird sie im Programm als in Paris lebende Palästinenserin.

Sie mag ja wirklich in Paris wohnen. Doch geboren wurde sie 1960 in Galiläa. Diese Region gehört bekanntlich zu Israel. Abass ist tatsächlich auch israelische Staatsbürgerin palästinensischer Herkunft. Aussagen in der Presse zufolge möchte sie keinesfalls ihren Pass eintauschen, weil er ihr das internationale Reisen leicht macht.

Letztlich sind die Verantwortlichen des Festivals aber nur konsequent. Schließlich hat Abass in ihrer Rolle in dem Film »Paradise Now«, der einen recht wohlwollenden Blick auf zwei Selbstmordattentäter wirft, bewiesen, dass ihr die palästinensische Sache überaus wichtig ist. Sie spielte ebenfalls in der Fernsehfassung des Films »The Gate of the Sun« mit, in der Zionisten und Israelis mit den Nazis verglichen werden. (mst)