Horst Teltschiks Supershow

Am Freitag beginnt die Sicherheitskonferenz in München. Dort werden wohl eher Konflikte ausgetragen als Kriege geplant. von stefan frank

Als »Davos der Sicherheitspolitik« wird die Münchner Sicherheitskonferenz (ehemals Wehrkundetagung) annonciert, die in diesem Jahr unter dem putzigen Motto »Frieden durch Dialog« steht. »Es wird eine der hochrangigsten Konferenzen, die es in München je gegeben hat«, verspricht Horst Teltschik, der Impresario. Auf der Teilnehmerliste stehen neben den großen und mittelständischen Rüstungsunternehmen u.a. der russische Präsident Wladimir Putin, der neue US-Verteidigungsminister Robert Gates, der Außenbeauftragte der EU, Javier Solana, der Generalsekretär der Nato, Jaap de Hoop Scheffer, und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Auch der von Umsturzversuchen bedrohte libanesische Ministerpräsident Fuad Siniora wird erwartet. Ob wie im vergangenen Jahr ein Vertreter der iranischen Regierung kommt, ist noch unklar.

Wichtige Themen sind nach Angaben Teltschiks in diesem Jahr die »globale Verantwortung der Nato«, der internationale Terrorismus und die Situation im Nahen und Mittleren Osten. Zudem solle über die Europäische Union als regionales Modell für Frieden und Sicherheit gesprochen werden. Die Friedensmedaille, die alljährlich im Rahmen der Konferenz vergeben wird, erhält der frühere Nato-Generalsekretär Javier Solana für seine Verdienste bei der Bombardierung Jugoslawiens.

Den Gegnern der Veranstaltung, die wie jedes Jahr ein paar Kilometer vom Veranstaltungs­ort entfernt demonstrieren werden, gilt die Sicherheitskonferenz als »hochkarätige Kriegstagung«, die »der Vorbereitung und Propagierung weltweiter Kriegseinsätze der Nato-Staaten« diene, wie es in einem Aufruf heißt.

Die Kriegspläne werden aber wohl kaum öffentlich diskutiert werden, so wie man auch Geschäftsabschlüsse traditionell nicht vor laufender Kamera bespricht. Die eigentlich wichtigen Dinge werden abseits des Podiums verhandelt werden (wie das vonstatten geht und ob es im Hotel Bayerischer Hof auch Separées für die Absprache heikler Rüstungslieferungen gibt, wollen wir nicht wissen).

Seit der vorigen Sicherheitskonferenz haben die Rüstungsunternehmen gute Geschäfte gemacht. Lockheed Martin, der Hersteller des Kampfflugzeugs F-16, steigerte seinen Gewinn im vergangenen Quartal um 28 Prozent auf 729 Millionen Dollar. Northrop meldete ein Plus von 37 Prozent auf 453 Millionen Dollar, und Boeing kam in seiner Militärsparte auf einen Quartalsgewinn von einer Milliarde Dollar, was zehn Prozent mehr sind als im Vorjahr. Der europäische Rüstungskonzern EADS freute sich darüber, die US-Armee mit Helikoptern beliefern zu dürfen, was als großer Erfolg gilt, da die amerikanischen Streitkräfte sonst fast nur inländischen Unternehmen Aufträge erteilen. In München sehen sich die Vertreter von EADS unter Druck, weitere Erfolge im Rüstungsgeschäft zu verbuchen, um die Pleite mit dem Airbus A-380 wenigstens teilweise zu kompensieren. Lockheed Martin, das den Stealthfighter der nächsten Generation F-35 entwickelt, wird Gelegenheit haben zu sondieren, welche Länder sich neben Großbritannien, den Niederlanden, der Türkei, Australien, Kanada und Norwegen an der Forschung und Entwicklung beteiligen wollen.

Im Mittelpunkt der politischen Gespräche werden wohl die Russen stehen, die mit einer großen Delegation anreisen. Dabei geht es vor allem um das Kosovo und die Lage im Nahen Osten. Führende amerikanische Politiker (vor allem der Demokraten) haben in den vergangenen Monaten Stimmung gemacht gegen »Extremisten« in Moskau, weil die sich weigern, im UN-Sicherheitsrat einer Abspaltung des Kosovo zuzustimmen. Nicht extremistisch, sondern ganz und gar logisch hatten russische Politiker argumentiert, dass der Westen dann auch Abspaltungen pro-russischer Gebiete etwa in Georgien anerkennen müsse.

Im Nahen Osten unterstützt Russland die anti-israelischen Regierungen in Syrien und dem Iran und liefert ihnen moderne Waffen. Russische Panzerabwehrraketen, die ihren Weg zur libanesischen Hizbollah gefunden haben, sorgten im Sommer 2006 für viele Tote und Verletzte unter israelischen Soldaten.

Große Sorgen bereitet es Israel und den USA, dass Russland Syrien und dem Iran auch moderne Luftabwehrsysteme liefern will, die israelische Flugzeuge von Syrien aus schon im israelischen Luftraum bedrohen könnten. Ende Januar meldete die Zeitschrift Aviation Week außerdem, dass der Iran plane, mit Hilfe einer umgebauten Langstreckenrakete einen Satelliten ins All zu bringen. Sollte das Land dazu in der Lage sein, könnte es auch Interkontinentalraketen bauen, die Ziele in Eu­ro­pa, Asien und Amerika treffen und in naher Zukunft vielleicht sogar mit Atomsprengköpfen bestückt werden könnten.

Bereits seit Jahren planen die USA, entweder in Tschechien oder in Polen ein Raketenabwehrsystem zu installieren. Doch eine solche, an Reagans SDI erinnernde Vorrichtung, noch dazu auf dem Boden eines Landes, das ehemals zum Warschauer Vertrag gehörte, provoziert wiederum Ärger in Russland. »Unsere Experten schenken den Behauptungen keinen Glauben, dass die vorgeschlagenen Standorte dazu dienen sollen, der Gefahr von Raketen aus dem Iran zu begegnen«, sagte Präsident Putin am 1. Februar auf einer Pressekonferenz und kündigte sogleich Gegenmaßnahmen an. Russlands neuste Interkontinentalrakete Topol-M sei fähig, während des Fluges die Höhe und die Richtung zu ändern. »Dagegen ist eine Raketenabwehr machtlos.«

Es gibt also vor allem zwischen dem Verteidigungsminister der USA, Robert Gates, und Wladimir Putin einiges zu besprechen, denn an Konflikten und widerstreitenden Interessen herrscht keine Knappheit. Es wäre denkbar, dass ein Land bei der einen Frage nachgibt, das andere bei der zweiten und man in der dritten einen Kompromiss findet. So ähnlich stellt man sich ja diplomatische Verhandlungen landläufig vor. Doch ist es unwahrscheinlich, dass es dazu kommt. Russland ist misstrauisch, da es in den vergangenen 15 Jahren immer wieder brüskiert wurde, und die USA haben sich daran gewöhnt, auf russische Interessen keine Rücksicht mehr nehmen zu müssen, diesen Komfort wollen sie nicht aufgeben.

Die Reden, die bei der Sicherheitskonferenz gehalten werden, kann man wohl eher zum Showprogramm zählen. Spektakuläre Aussagen sind nicht zu erwarten. Angela Merkels spontaner Vergleich des iranischen Regimes mit dem nationalsozialistischen im vorigen Jahr, mit dem sie den iranischen Vertreter und auch alle anderen Anwesenden überraschte, bildete eine große Ausnahme.

So wie man an der Börse eine an sich uninteressante Rede eines Notenbankchefs genau darauf untersucht, ob sie versteckte Andeutungen über zukünftige Zinsentscheidungen enthält, wird man in München horchen, ob es Hinweise gibt auf einen neuen Krieg am Golf oder wenigstens auf die Meinung der verschiedenen Regierungsvertreter zu diesem Thema. Sollte dies der Fall sein, wird man es am nächsten Tag in der Zeitung lesen. Wer die Veranstaltung unbedingt live sehen möchte, muss Phoenix einschalten, den Sender, der spezialisiert ist auf die Dokumentation unwichtiger Ereignisse.