Nachrichten

Fünf Jahre seines Lebens

Murat Kurnaz. Merchandising ist nicht nur in der Film- und Musikbranche weit verbreitet. Es gibt auch das Politik-Merchandise. Neben Buttons, Aufnähern, Aufklebern und T-Shirts werden nach dem Vorbild der so genannten Band-Histories ja auch die biografischen Schilderungen von Personen des politischen Lebens angeboten. Im April wird Murat Kurnaz seine Erinnerungen veröffentlichen. Der in Bremen aufgewachsene türkische Staatsbürger war im Oktober 2001 nach Pakistan gereist, um eine Koranschule zu besuchen. Dort wurde er jedoch verhaftet, den US-Streitkräften übergeben und in das Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba gebracht. Erst im August 2006 wurde er entlassen. Der deutsche Außenminister Frank Walter Steinmeier (SPD) steht verdientermaßen unter erheblichem Druck, weil er eine frühere Rückkehr des Mannes nach Deutschland verhindert haben soll. »Die Schilderungen gehen weit über das hinaus, was in der Öffentlichkeit bisher bekannt geworden ist«, behauptet der Rowohlt-Verlag, in dessen Programm das Buch mit dem Titel »Fünf Jahre meines Lebens. Ein Bericht aus Guantánamo« erscheinen wird. Vielleicht wird man auf den 250 Seiten auch erfahren, was Murat Kurnaz in eine pakistanische Koranschule getrieben hat. Für die liberale Auslegung des Korans sind die Madrassen schließlich nicht unbedingt bekannt. (mst)

Generation RAF

Christian Klar. In der Diskussion um die Begnadigung Christian Klars, eines ehemaligen Mitglieds der RAF, hat Claus Peymann erneut einen alten Vorschlag ins Gespräch gebracht. Der Intendant des Berliner Ensembles ließ in der vergangenen Woche verlauten, dass nach wie vor die Möglichkeit bestehe, Klar ein Praktikum an dem Theater zu gewähren. Peymann ist ja eigentlich nie sonderlich verlegen, sein Haus in die Schlagzeilen zu bringen. Gern lädt er Martin Walser oder Rolf Hochhuth in das Berliner Ensemble ein. Warum hätte er also auf diese Gelegenheit verzichten sollen? Doch nach Angaben des Intendanten steht der Gedanke der Resozialisierung hinter dem Angebot an Klar. Um es wahrzunehmen, müsste er von Stuttgart nach Berlin verlegt werden und Freigang bekommen. Aber hat ihn eigentlich jemand nach seiner Meinung gefragt? Schließlich wollte der Mann mit den anderen Mitgliedern der RAF den Kapitalismus besiegen. Sollte Klar nach 24 Jahren Haft wirklich irgendwann zur »Generation Praktikum« gehören, sähe das doch eher nach dem endgültigen Sieg seines Gegners aus. (mst)

Kreuzberger Nächte

Bloc Party. Merken Sie etwas? Hat sich etwas verändert in Ihrem Leben? Nein? Das ist seltsam. Denn gemessen an dem Rummel, der fortwährend um die neue Platte von Bloc Party betrieben wird, dürf­te eigentlich nichts auf der Welt mehr so sein wie vorher. Seit der ver­gangenen Woche steht »A weekend in the city« in den Läden. Wer ein besonders böses Urteil fällen möchte, könnte sagen: Es ist eine nette Platte geworden. Man kann sie hören, wenn man spült oder die Einkäufe in den Kühlschrank räumt. Sie stört nicht, tut nicht weh. Und nachdem sie durchgelaufen ist, erscheint es einem fast so, als sei gar nichts geschehen. Das mag daran liegen, dass die Band nicht mehr Gang of Four zum Vorbild hat. Bloc Party klingen jetzt eher wie U2. Sie machen stellenweise wirklich astreinen Stadion­rock. Noch dazu haben sie ihre Vorliebe für wabernde und ausufernde Intros entdeckt. Und da es bei internationalen Musikern in Mode ist, entweder eine Zeit lang in Berlin zu wohnen oder sich irgendwie auf die Stadt zu beziehen, heißt ein Song tatsächlich »Kreuzberg«. Aber auch er ist nichts für die wilde Feier, sondern eher etwas zum Einschlafen danach. (mst)

Kurzmitteilung

SMS-Roman. Die literarische Form des Briefromans ist nicht mehr sonderlich zeitgemäß. Wer schreibt denn noch Briefe? Man »simst« sich, schickt also über das Handy eine SMS, wenn man jemandem etwas mitzuteilen hat. Der Finne Hannu Luntiala hat erkannt, dass unsere Zeit auch in der Literatur Neues erfordert. Deshalb wird er seinen Roman »The Last Message« per SMS verschicken. Luntiala erzählt die Geschichte eines Aussteigers aus der Computerbranche, der durch Europa und Indien reist und seiner Familie über das Handy von seinen Erlebnissen berichtet. Die Leser werden etwa 1 000 Mitteilungen erhalten. Schließlich ist die Zahl der Buchstaben einer SMS auf 160 beschränkt. Und um das Format zu wahren, enthält der Roman die Abkürzungen, die in der Handy-Kommunikation üblich sind. Und auch die Tippfehler, die sich auf den kleinen Tastaturen einschlei­chen, hat Luntiala in seinen Text eingebaut. Ganz neu ist die Idee freilich nicht: Im Jahr 2004 veröffentlichte der chinesische Autor Qian Fuzhang sein Buch »Aus der Festung« als SMS-Fortsetzungsroman. Über mehrere Monate hinweg erhielten seine Abonnenten jeden Morgen eine neue Folge aus dem Buch. Aber was passiert eigentlich, wenn das Guthaben für die Prepaid-Karte erlischt? (mst)

Method Acting

Das wilde Leben. Man merkt es, wenn ein Schauspieler ganz in seiner Figur aufgeht. Gern erinnert man sich an die intensiven Momen­te, die Marlon Brando, Robert DeNiro oder Emily Watson mit der Tech­nik des Method Acting erzeugen konnten. Doch für gewöhnlich versuchen Schauspieler, vor den Dreharbeiten eins mit ihrer Rolle zu werden. Einige Darsteller und Statisten von »Das Wilde Leben« haben in der vergangenen Woche den Titel des Films beherzigt und ein Hotelzimmer in München verwüstet. Die Schauspieler waren zur Premierenfeier des Streifens in die Stadt angereist. Im Geist Uschi Obermaiers, deren Vita als schöne Rebellin, Kommunardin und Grou­pie in dem Film gezeigt wird, könnte der Rabatz durchaus sein, den die zwölf Beteiligten veranstalteten. Sie zerstörten zunächst die Einrichtung des Zimmers und griffen die vom Hotelpersonal zu Hilfe ge­rufenen Polizeibeamten an. Besser hätten es Obermaiers Kumpels von den Rolling Stones damals auch nicht machen können. (mst)