Prozess bizarr

Die Anklage fordert fünf Jahre Haft für den Holocaust-Leugner Ernst Zündel. Sein Verteidiger meint, Zündel könne nichts geleugnet haben, weil er immer geglaubt habe, was er sagte. von rolf thiele

Ein Ende ist in Sicht. Der Prozess gegen den Altnazi und Holocaust-Leugner Ernst Zündel dauert bereits über ein Jahr an, aber nach fünf weiteren Verhandlungsterminen soll Mitte März Schluss sein.

Die Beweisaufnahme ist abgeschlossen, die Staatsanwaltschaft und einer der insgesamt fünf Verteidiger haben ihre Plädoyers bereits gehalten. Der Vertreter der Anklage, Andreas Grossmann, verlangte die Höchststrafe von fünf Jahren Haft. Der 67jährige Zündel habe sich der wiederholten Volksverhetzung, Beleidigung und der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener schuldig gemacht. Grossmann bezeichnete den Angeklagten als einen »politischen Rattenfänger«, vor dem die Justiz »Deutschland bewahren« müsse. In dem Verfahren sei eindeutig bewiesen worden, dass Zündel über Jahrzehnte die Vernichtung der europäischen Juden systematisch geleugnet und die Opfer verspottet habe. Zum Beleg zitierte er ausführlich aus den Veröffentlichungen des Beschuldigten. Darin werden der Holocaust als »Lügenmonstrum« und »Kartenhaus« und die Gaskammern als »Erfindung der Alliierten und der Zionisten« bezeichnet. Hitler ist für Zündel ein »missverstandenes Genie«.

Zündels Anwalt Herbert Schaller plädierte für Freispruch. Er argumentierte, dass sein Mandant keine bewusste Leugnung begangen haben könne, da er an das, was er sagt, selbst glaube.

Den Verlauf des Prozesses nannte der Staatsanwalt zu Recht »teilweise bizarr«. Die Verhandlungstage waren hauptsächlich von den zahlreichen, bisweilen absurden Anträgen der Verteidigung geprägt. Sie reichten von der Forderung, die iranische Botschaft einzuschalten (Jungle World, 11/06), bis zu jener einer »forensischen Untersuchung« des Holocaust. Pikant war der erst vor kurzem eingebrachte Antrag, eine jüngst erschienene Titelgeschichte des Spiegel als »Beweismittel« einzuführen. Der Artikel zum Thema »Die Geburt des Monotheismus« ist von verschiedenen Seiten als antisemitisch kritisiert worden, unter anderem vom Holocaust-Forscher Micha Brumlik in der Jüdischen Allgemeinen. Zum Verdruss des Zündel-Teams wurden nahezu alle ihre Anträge abgelehnt.

Überhaupt hat Zündel eine illustre Runde einschlägig bekannter Nazi-Advokaten auf seiner Verteidigerbank versammelt. Neben den unter anderem wegen Volksverhetzung vorbestraften Anwälten Jürgen Rieger und Ludwig Bock vertritt ihn der Wiener Rechtsanwalt Herbert Schaller. Der hat bereits David Irving verteidigt und trat vor zwei Monaten als Referent auf der Konferenz der Holocaust-Leugner in Teheran auf. Dort dankte er dem iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad dafür, dass er das westliche »Kartell« der Holocaust-Forschung mit seiner Konferenz »empfindlich getroffen« habe. Zündels Wahlverteidigerin Sylvia Stolz, die zunächst mit ihren Tiraden den Prozess dominiert hatte, war im März vergangenen Jahres vom Prozess ausgeschlossen worden, unter anderem, weil sie dem Gericht mit der Todesstrafe nach dem Gesetz des »Deutschen Reichs« gedroht hatte und Aussagen mit »nationalsozialistischen Inhalten« von sich gegeben hatte. Auch Horst Mahler, ehemals Mitglied der RAF und heute einer der prominentesten deutschen Neonazis, sollte im Team der Verteidiger Zündels mitwirken. Er musste jedoch wegen eines Berufsverbotes bereits am ersten Verhandlungstag auf den Zuschauerrängen Platz nehmen.

Zündel wurde im Jahr 2005 aus Kanada abgeschoben und sitzt seitdem in Mannheim in Untersuchungshaft. Ihm wird vorgeworfen, in seinem kanadischen Exil auf seiner »Zündelsite« im Internet und in seinen »Germania-Rundbriefen« systematisch den deutschen Massenmord an den europäischen Juden geleugnet und weitere rechtsextreme Propaganda verbreitet zu haben. Das Urteil war zunächst für den vergangenen Freitag erwartet worden.