Bar auf die Hand

Die Städte Göttingen und Oldenburg wollen Flüchtlingen statt Gutscheinen wieder Bargeld aushändigen. Im niedersächsischen Innenministerium stößt dies auf Widerspruch. von benjamin laufer

Bis auf die CDU sind sich in Göttingen alle einig. Die Ausgabe von Wertgutscheinen an Flüchtlinge stelle eine demütigende und diskriminierende Praxis dar, heißt es in einem Antrag, den die Fraktionen der Grünen, der SPD, der FDP und der Linken Mitte Februar gemeinsam im Göttinger Stadtrat verabschiedeten. »In einem Europa, das immer weiter zusammenwachsen soll, ist es in einem sozialen Rechtssystem und in einer weltoffenen Stadt wie Göttingen nicht hinnehmbar, dass Menschen, die in ihren Herkunftsländern verfolgt werden, hier einer weiteren Diskriminierung unterliegen«, heißt es in der Begründung.

Damit richten sich die Fraktionen gegen die seit zehn Jahren gängige Praxis in Niedersachsen, Flüchtlingen lediglich zweckgebundene Gutscheine für ihre Einkäufe zur Verfügung zu stellen. Man wolle für die Menschen keinen Anreiz schaffen, aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland zu kommen, heißt es im entsprechenden Erlass des niedersächsischen Innenministeriums vom 31. Juli 1997. Diese Regelung stößt jedoch zunehmend auf den Widerspruch niedersächsischer Städte. Bereits im Oktober des vergangenen Jahres hat sich der Rat der Stadt Oldenburg einstimmig für die Abschaffung des Gutscheinsystems ausgesprochen. Das niedersächsische Innenministerium wurde aufgefordert, die Kritik an dem System »ernsthaft und intensiv zu prüfen und Lösungsvorschläge zu entwickeln«.

Nun hat auch die Stadt Göttingen die Einstellung dieser Praxis gefordert. »Wenn die gesellschaftlichen Kräfte im Land von der ›Das-Boot-ist-voll-Politik‹ der neunziger Jahre Abstand nehmen, dann sind diese diskriminierenden, isolierenden Regelungen obsolet, daran sollten wir gemeinsam arbeiten«, sagte der sozialpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Frank-Peter Arndt, zu dem Antrag. Uwe Reinecke von der Göttinger Linken meint, mit solchen Resolutionen »soll eine breite Diskussion angeregt werden, damit es die staatlichen Rassisten zukünftig schwerer haben. Letztlich soll es zu einer solidarischen Gesellschaft ohne Residenzpflicht und Gutscheine sowie ohne Abschiebungen führen.«

Der alltägliche Einkauf mit Gutscheinen ist für die Flüchtlinge mit vielfältigen Beschwerlichkeiten verbunden. Oft werden sie beim Lebensmitteleinkauf in rassistischer Weise beleidigt. Doch auch das System an sich birgt viele Nachteile: Einkaufen kann man nur in den wenigen Geschäften, welche die Gutscheine akzeptieren. Die Flüchtlinge bekommen nur dann Wechselgeld ausbezahlt, wenn dies weniger als zehn Prozent des Gutscheinwerts ausmacht. Fahrkarten beispielsweise lassen sich aber nur mit Bargeld bezahlen.

In Göttingen ermöglicht deshalb seit Jahren eine »Gutscheingruppe« den Flüchtlingen den Tausch der Wertgutscheine gegen Bargeld. Immer mehr Geschäfte nehmen die getauschten Gutscheine jedoch nicht mehr an, sei es nun aus Willkür oder auf Drängen der Firma Sodexho, die das Gutscheinsystem im Auftrag der Stadt organisiert. Auch hier greift der Stadtrat nun ein. In seinem Beschluss fordert er die Stadtverwaltung auf, eine Regelung zu schaffen, »die es den Flüchtlingen ermöglicht, sich bei ihren Einkäufen mit Wertgutscheinen von Dritten vertreten zu lassen«.

Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) will unterdessen an dem bisherigen Umgang mit den Flüchtlingen festhalten und schreibt in einem Brief an den Oberbürgermeister Oldenburgs, Gerd Schwandner (CDU): »Das Innenministerium wird daher auch in Zukunft darauf achten, dass die Kommunen die genannten gesetzlichen Vorgaben einhalten.«

Um weiteren politischen Druck auszuüben, wollen sich die Göttinger Fraktionen zukünftig auf Landesebene in ihren Parteien für die Unterstützung der »Göttinger Resolution zur Abschaffung des Gutscheinsystems« einsetzen.