»Ziviler Ungehorsam ist legitim«

Ein Gespräch mit der Landtagsabgeordneten birgit schwebs über die Vorbereitungen der Linkspartei zum G8-Gipfel und die Stimmung in Bad Doberan

Birgit Schwebs ist Landtagsabgeordnete der Linkspartei in Mecklenburg-Vorpommern. Sie stammt aus dem Landkreis Bad Doberan, zu dem Heiligendamm gehört.

Wie ist die Stimmung der Bevölkerung in Ihrem Wahlkreis, was den G8-Gipfel betrifft?

Die Leute sind sensibilisiert und verunsichert. Sie wissen nicht, was auf sie zukommt, was an Protesten ansteht und was die Polizei machen wird.

Also herrscht Skepsis?

Keine Euphorie jedenfalls. Man sieht schon auch, dass Heiligendamm dadurch in die internationale Presse kommt, das eröffnet vielleicht auch ein paar Chancen für den Tourismus und für die Wirtschaft. Aber viele fragen sich: Was bringt uns das denn noch alles?

Wie bereitet sich Ihre Partei auf den Gipfel vor?

Die Linkspartei ist Teil des Protests.Wir haben im Landesverband eine Arbeitsgruppe, wir beschäftigen uns inhaltlich in den Landesarbeitsgemeinschaften damit. Zum Beispiel haben wir kürzlich in der Landesarbeitsgemeinschaft Umwelt das Thema Globalisierung und Landwirtschaft diskutiert. Wir wollen uns in die Großdemonstration und die globalen Aktionstage einbringen.

Es ist ein großes Spektrum an Gruppen, das zu den Protesten aufruft. Es soll Demonstrationen und friedliche Sitzblockaden geben, andere wollen den so genannten Sicherheitszaun überwinden. Welche Protestform ist für Sie denkbar?

Es ist Konsens in der Linkspartei, dass wir alle friedlichen und phantasievollen Protestformen unterstützen. Die Protestierenden sind sich einig, dass die unterschiedlichen Protestformen untereinander akzeptiert werden.

Die Linkspartei toleriert also auch zivilen Ungehorsam?

Ziviler Ungehorsam ist legitim. Jede Gruppe muss selbst entscheiden, welche Form des Protests sie anwendet.

Auch Rechtsextreme wollen gegen den Gipfel demonstrieren. Welche Rolle spielt das in Ihrem Landkreis? Wie geht die Linkspartei damit um?

Im Landkreis spielt das keine Rolle. Wir haben nicht gehört, dass die NPD hier irgendetwas plant. Wir rechnen aber damit, dass sie versuchen wird, auf diese Proteste aufzuspringen. Es gibt unter den Gipfelgegnern Organisationen, die sich damit beschäftigen.

Manche Kritiker behaupten, es gebe Überschneidungen im Ressentiment gegen die Globalisierung und »gegen die da oben«.

Das mag scheinbar so sein. Aber wenn man in die Tiefe geht und die Begründung liest, dann sieht man, dass es diametral auseinander geht. Es gibt einen himmelweiten Unterschied in der Kritik und bei den Lösungsansätzen. Die NPD will einen völkischen Nationalstaat anstelle Globalisierung. Wir lehnen die gegenwärtige neoliberale Ausgestaltung der Globalisierung ab, wir wollen sie als gleiche Chance für alle Staaten, nicht zu Lasten der Nicht-G8-Länder.

Die Linkspartei ist in Mecklenburg-Vorpommern nicht mehr an der Regierung beteiligt. Erleichtert das Ihre Teilnahme an den Protesten? Als Regierungspartei hätten Sie viel mehr das Land präsentieren und die Chancen hervorheben müssen, die so ein Gipfel mit bringt – für den Tourismus, das Image etc.

Wenn sich 150  000 Menschen treffen, um gegen den Gipfel zu demonstrieren, ist das auch eine Chance zu zeigen, wie Mecklenburg-Vorpommern mit politischem Widerstand umgeht. Es ist spekulativ, aber wenn wir an der Regierung beteiligt wären, dann hätte es vielleicht nicht nur verbale Bekenntnisse der Regierung und der kommunalpolitisch Verantwortlichen gegeben, dass man die Protestierer genauso willkommen heißt wie die Staatschefs. Wir hätten das ernst genommen, hätten die Globalisierungsgegner aktiv unterstützt, beispielsweise bei der Suche nach Flächen für das geplante Camp.

interview: stefan wirner