Geiseln und ­Geschäfte

Der iranisch-britische Konflikt von jörn schulz

Im Kino ist es schon so weit. »Hollywood erklärt den Iranern den Krieg«, titelte die iranische Tageszeitung Ayandeh-No, weil in dem Film »300«, der den Kampf spartanischer Krieger gegen eine Armee von Xerxes I. schildert, die Perser nicht sehr vorteilhaft dargestellt werden. Javad Shangari, Kulturberater des Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad, bezeichnete den Film als »Teil der umfassenden psychologischen Kriegsführung der USA gegen die iranische Kultur«.

Eigentlich ist das heidnische Perserreich, dessen Untergang der Koran prophezeit und als Anlass zur Freude betrachtet, aus islamistischer Sicht kein historisches Vorbild. Doch dem Bemühen, nationalistische Emotionen zu wecken, wäre Dogmatismus in dieser Frage abträglich. Immerhin beherrschten die Perser zu ihren besten Zeiten einen großen Teil des Nahen und Mittleren Ostens.

Das iranische Regime hat sich nie um territoriale Expansion bemüht, strebt aber nach Dominanz in der Region. Doch vor der Küste dümpeln zwei Flugzeugträgerverbände aus den USA und einer aus Frankreich, die US-Truppen im Irak haben mindestens fünf mutmaßliche iranische Agenten gefangen genommen, und der UN-Sicherheitsrat beschloss neue Sanktionen. Andererseits sind bereits für Mitte April Verhandlungen über die Lage im Irak geplant, an denen hochrangige Repräsentanten der USA und des Iran teilnehmen sollen. In dieser Situation schien Ahmadinejad offenbar eine militärische Machtdemon­stration ratsam, die den westlichen Staaten Kampfbereitschaft signalisieren und die »islamische Straße« beeindrucken soll, nebenbei aber auch noch ein einträgliches Geschäft ist.

Ob die Schläfrigkeit der britischen Marine oder ein Navigationsfehler es dem iranischen Militär am vorletzten Freitag ermöglichte, 15 Soldaten gefangen zu nehmen, ist bislang unklar. Der offiziellen britischen Darstellung zufolge wurden die Soldaten beim Verlassen eines Frachters, den sie kontrolliert hatten, in irakischen Hoheitsgewässern von zwei iranischen Schnellbooten überrascht. Man sollte aber annehmen, dass das Eindringen zweier feindlicher Kriegsschiffe in das wohl am besten überwachte Küstengebiet der Welt rechtzeitig von irgend jemandem bemerkt würde.

Das iranische Regime behandelt die Gefangenen faktisch als Geiseln. Ihre Vorführung im Fernsehen und die »Schuldbekenntnisse« sind vor allem für die islamische Öffentlichkeit bestimmt. Die Iraner gehen nicht zu Unrecht davon aus, dass für viele Muslime nicht das internationale Recht, sondern die Bilder aus Abu Ghraib und Guantánamo die Grund­lage der Beurteilung sind und die Demütigung einer westlichen Großmacht ein Grund zur Freude ist.

Möglicherweise wird sich der Iran damit begnügen, die britische Regierung als Bittstellerin vorzuführen, und die Soldaten noch vor dem Beginn der Verhandlungen mit den USA freilassen. Dass verschiedene Repräsentanten des iranischen Regimes sich recht unterschied­lich zu dem Fall äußerten, deutet darauf hin, dass die Aktion auch im Staatsapparat umstritten ist, vor allem wohl, weil nun der Druck auf Deutschland und andere EU-Länder wächst, die staatliche Förderung für den Handel mit dem Iran zu beenden. Einflussreiche Ayatollahs und Politiker sind der Ansicht, dass Ahmadinejads Provokationen den machtpolitischen Zielen des Regimes eher schaden.

Auch wenn die Soldaten bald freigelassen werden sollten, haben sie unfreiwillig die Kassen des iranischen Regimes gefüllt. Denn ihre Gefangennahme ließ den Ölpreis in der vergangenen Woche um fünf Dollar steigen; das bringt dem Iran tägliche Mehreinnahmen von etwa zwölf Millionen Dollar.