Gemeinsam für die Minderheit

Die Linkspartei in Sachsen streitet über ein zweifelhaftes politisches Bündnis für die Rechte der Sorben. von matthias gärtner

In Bautzen in der Oberlausitz befindet sich nicht nur das gemeinsame Büro des sorbischstämmigen Landtagsabgeordneten der Linkspartei, Heiko Kosel, und des tschechischen EU-Abgeordneten Jaromir Kohlicek von der Kommunistischen Partei Böhmens und Mährens (KSCM). Auch der Europa-Abgeordnete Sylvester Chruszcz von der als erzkon­servativ bzw. rechtsextrem einzustufenden Liga Polnischer Familien (LPR) unterhält dort eine Außenstelle seines Büros.

Die drei Politiker verbindet die Sorge um die sorbische Minderheit in dem Bundesland. Zusammen setzten sie sich gegen die Schließung sorbischer Schu­len und das Verbot der sorbischen Sprache im Maria-Martha-Haus des Klosters St. Marienstern in Pansch­witz-Kuckau ein und veröffentlichten zu diesem Zweck gemeinsame Pressemitteilungen im Namen der Fraktion der Linkspartei im sächsischen Landtag.

Seit dem Auftritt Jaromir Kohliceks auf dem Landesparteitag der Linken in Weinböhla im November, bei dem er sich in einer Grußbotschaft der Zusammenarbeit mit dem polnischen Kollegen rühmte, gibt es Streit in der Linkspartei. Der menschenrechtspolitische Spre­cher der Bundestagsfraktion, Michael Leutert, kritisierte noch auf dem gleichen Parteitag die Kooperation mit der LPR und ihrem stellvertretenden Vorsitzenden Chruszcz. Der war bis vor kurzem auch Vorsitzender der Allpolnischen Jugend, die der LPR nahe steht und militant, antisemitisch und homophob ist.

Die bizarre Debatte unter den Genossen wurde in der Folge vorrangig im Informationsblatt der sächsischen Landtagsfraktion geführt. So schrieb der Pressesprecher der Fraktion, Marcel Braumann: »Links in Sachsen ist nicht dasselbe wie links in Liberec oder links in Zgorzelec.« Zudem hätte die Liga polnischer Familien gemein­sam mit den Linksradikalen gegen die polnische Beteiligung am Irak-Krieg gestimmt. Dabei vergaß er zu erwähnen, dass auch die NPD in Deutschland gegen den Irak-Krieg demonstriert und versucht hat, Einfluss auf die anderen Kriegsgegner zu gewinnen. Mit Blick auf den fundamentalistischen Katholizimus der LPR forderte er mit Heiko Kosel einen »neuen Umgang der Linken mit religiöser Kultur« und erklärte dies sogar zum Kern einer »multikulturellen Konzeption«.

Während die einen in der Linkspartei die Zusammenarbeit mit dem Vertreter einer chauvinistischen, rechtsextremen und homophoben Partei inakzepta­bel finden, betrachten ihn die anderen als Partner in einem grenzüberschreitenden antifaschistischen Bündnis und werfen ihren Kritikern Provinzialismus vor. Die Vizepräsidentin des sächsischen Land­tags, Regina Schulz von der Linkspartei, betrachtete die ganze Aufregung als unangemessen und for­derte »grundsätzliche Bündnisfähigkeit mit Menschen ein, die mit uns nicht völlig deckungsgleich sind«. Ob ihr bewusst ist, dass es die LPR war, die vor gut einem Jahr in Krakow eine Kundgebung gegen den schwul-lesbischen »Marsch für Toleranz« anmeldete, aus der heraus 200 Neonazis den Marsch mit Flaschen und Steinen angriffen?

Nachdem der polnische Bildungsminister Ro­man Giertych von der LPR jüngst erneut ge­gen Schwule hetzte und sein Vater Maciej Gier­tych, Abgeordneter der Partei im Euro­paparla­ment, eine »rechtslastige« (Spiegel) Broschüre mit dem Titel »Zivilisationen in Europa im Krieg« veröffentlichte, scheint plötzlich alles anders zu sein. Heiko Kosel betonte plötzlich im Gespräch mit der Jungle World, dass »man die LPR politisch bekämpfen« müsse. Was heute von den LPR-Vertretern zu hören ist, sei damals nicht bekannt gewesen. Man könne die Kooperation mit Sylvester ­Chruszcz im Rück­blick als Fehler bezeichnen.