Demokratie wird umgebaut

Das Frankfurter »Institut für Vergleichende Irrelevanz« ist gefährdet. Um das Gebäude im Kettenhofweg für Käufer interessant zu machen, nimmt man es mit dem Denkmalschutz nicht so genau. von yildiz münzevi

Als der Architekt Ferdinand Kramer Anfang der fünfziger Jahre, auf Bitten Max Horkheimers hin, aus dem amerikanischen Exil nach Deutschland zurückkehrte, sorgten seine Arbeiten schnell für Aufsehen. Er versuchte sich an der Entnazifizierung und Demokratisierung auf architektonischer Ebene. So entwarf er beispielsweise die Gebäude der Frankfurter Universität nach demokratischen Prinzipien. Als exemplarisch gilt heute noch die Verlegung des Rektorats ins Erdgeschoss, »auf die Höhe des Volkes«.

Fünf Jahrzehnte später scheint Kramers demokratische Architektur weniger in die Zeit zu passen. Nachdem Teile der Universität längst im IG-Farben-Haus untergebracht worden sind, dem repräsentativen Bau, der mit seiner herrschaftlichen Bauweise im Kontrast zu den Werken Kramers steht, ist nunmehr der Umzug der restlichen Fachbereiche geplant. Mit dem Verkauf des alten Campus will man Neubauten, die an das IG-Farben-Haus angepasst werden sollen, finanzieren.

So soll auch das ehemalige Institut für England- und Amerikastudien im Kettenhofweg 130, das vor gut drei Jahren besetzt wurde, veräußert werden. Das bereits im Jahr 1954 vom Land Hessen ausgezeichnete Werk Kramers wurde im April 2000 als besonders schützenswertes Kulturdenkmal ausgewiesen. Doch erste Begehungen mit potenziellen Käuferinnen und Käufern blieben erfolglos. Geplant ist eine weitere Begehung mit Vertretern des Frankfurter Denkmalamts sowie der in solchen Belangen erfahrenen Projektmanagement-Firma DU Diederichs. Hier soll über mögliche Eingriffe in die denkmalgeschützte Architektur gesprochen werden.

»Wir verstehen nicht, warum eine weitere Begehung durch den Denkmalschutz notwendig sein sollte. Das Landesdenkmalamt hat das Gebäude besichtigt und weiß, wie es in ihm aussieht. Eine weitere Begehung kann nur der stückweisen Aufhebung des Denkmalschutzes dienen«, sagt Helena Reichert, eine Sprecherin des seit über drei Jahren in dem Bau ansässigen »Instituts für Vergleichende Irrelevanz« (Ivi), das interdisziplinär arbeitet und von Studierenden verwaltet wird.

»Was ist typisch für den Bau, und wo kann man, um eine moderne Nutzung des Gebäudes möglich zu machen, das ein oder andere Zugeständnis machen?« Das sind die Fragen, die sich Stefan Timpe vom Frankfurter Denkmalamt, der Betreuer des Kramer-Baus, im Gespräch mit der Jungle World stellt. Es soll wohl vor allem um die Höhe der Fenster gehen, wie so oft bei Bauten der Moderne. Erhebliche Änderungen an der Fassade könnten die Folge sein. Zwar will das Denkmalamt kontinuierliche Nutzerinnen und Nutzer, die möglichst viel von der Substanz des Gebäudes erhalten wollen. Dass aber im Hinblick auf die zukünftige Nutzung des Gebäudes Konzessionen gemacht werden müssen, scheint bereits festzustehen.

Im Ivi herrscht derweil großes Unverständnis darüber, warum es bei den Verhandlungen übergangen wurde und die derzeitige Art der Nutzung des Gebäudes nicht anerkannt wird. Dabei sieht sich das Institut in der Tradition von Ferdinand Kramer und seinem Konzept der »demokratischen Architektur«. In den drei Jahren seiner Arbeit ist es gelungen, in diesem Haus unter dem Motto »Theorie, Praxis, Party« verschiedenste Gruppen zusammenzubringen. Unter der Prämisse der Kritik an Antisemitismus, Sexismus, Rassismus und Kapitalismus wirken mittlerweile einige Frankfurter Gruppen produktiv zusammen, zwischen denen es bis dato nur sporadische Kooperationen gab. Die kontinuierliche Arbeit im Sinne kritischer Wissenschaft und wilder Theoriebildung ist darüber hinaus unverzichtbarer Bestandteil des Institutsbetriebs. In einem eigenen Institut zu arbeiten, geht über den Politgruppen- und Lesekreisalltag hinaus.

Deshalb möchte sich das Institut eigene Räume im Allgemeinen und im Kramer-Bau im Speziellen nicht nehmen lassen. Schließlich habe man das Gebäude vor Verfall und Abriss bewahrt. »Die Bedingung für eine mögliche Begehung des Instituts wäre die Begehung eines adäquaten Ersatzobjektes unsererseits«, sagt Reichert vom Ivi. Bislang weigert sich die Universitätsleitung jedoch, über eine mögliche Schenkung oder die Bereitstellung geeigneter Ersatzobjekte nachzudenken.

In und um das Haus herum ist spürbar, dass eine Schließung des Instituts viele Leute hart treffen würde. Um dies zu verhindern, formiert sich derzeit ein Bündnis für seinen Erhalt. Das Ivi selber hat für den 26. April zu einem Unterstützungstreffen geladen, um weitere Möglichkeiten des Protestes gegen die drohende Schließung zu erörtern.