Aufstand hinter Gittern

Gefängnisrevolten und Prozesse in Griechenland

In Griechenland revoltierten vergangene Woche Gefängnishäftlinge. Der Aufstand begann am Morgen des 23. April im Gefängnis der Kleinstadt Malandrino, nachdem Wächter den Häftling Giannis Dimitrakis zusammengeschlagen und versucht hatten, den Protest seiner Mitgefangenen dagegen mit Gewalt niederzuschlagen. Wegen der unerträglichen Zustände im Knast, der Gewalt der Wärter, des Mangels an Trinkwasser, des kurzen Hofgangs und der elektronischen Überwachung rund um die Uhr kam es dort schon öfter zu Aufständen.

Einen Tag später griff der Aufstand auf insgesamt elf Gefängnisse in Griechenland über. Die Forderungen der Gefangenen waren überall mehr oder weniger die gleichen: eine Verkürzung der Haftzeiten, eine Überprüfung, ob die Unterbringung in älteren Gefängnisbauten mit den Menschenrechten vereinbar ist, ein Recht auf Arbeit für alle Gefangenen und die Abschaffung der Disziplinarstrafen. In Athen und Patras fanden Solidaritätskundgebungen anarchistischer Gruppen vor den Gefängnissen statt.

Nach Verhandlungen mit den Gefängnisleitungen über die Erfüllung der Forderungen der Häftlinge endeten die Aufstände bis Mittwochabend. In Malandriou wurde der Aufstand von Spezialeinheiten der Polizei unter Einsatz von Tränengas gewaltsam niedergeschlagen. Nachdem die MAT-Einheiten das Gefängnis gestürmt hatten, verschanzten sich etwa 100 Gefangene auf dem Dach des Gefängnisses und entzündeten Feuer, in welchen sie Einrichtungsgegenstände verbrannten. Sie ergaben sich erst im Laufe der Nacht auf Donnerstag.

Aus Solidarität mit den Aufständischen wurden in Athen in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag Büros des Justiz- und des Kulturministeriums und mehrere Banken mit Molotowcocktails angegriffen. Außerdem gab es Zusammenstöße mit der Polizei im Szenestadtteil Exarchia. Auch hier wurden Molotowcocktails und von der Polizei Tränengas eingesetzt.

Auch ein Berliner sitzt seit mehreren Wochen in einem griechischen Gefängnis. Der 31jährige Kfz-Mechaniker Timo B. befindet sich seit dem 20. Februar in Untersuchungshaft. Er wurde nach einem Konzert in der besetzten Universität in Thessaloniki verhaftet. Anfang Februar waren aus Protest gegen die inzwischen verabschiedete Bildungsreform 300 Fakultäten im ganzen Land besetzt worden.

Timo B. wird vorgeworfen, sich an Auseinandersetzungen mit der Polizei beteiligt und einen Molotowcocktail geworfen zu haben. In einem Schreiben aus dem Gefängnis bestreitet er die Vorwürfe und beschuldigt die Polizei, ihn schwer misshandelt zu haben. Um die Solidaritätsarbeit zu erschweren, wurde er in das Untersuchungsgefängnis in Komotini nahe der türkischen Grenze verschleppt. Dort könnte er 18 Monate lang ohne Prozess festgehalten werden. Protestkundgebungen fanden bisher vor griechischen Konsulaten in Spanien und England statt.

Dagegen wurden 49 Menschen, die am 8. März während einer Demonstration gegen die Bildungsreform verhaftet worden waren, vom Athener Landgericht freigesprochen, da die Anklage »offensichtlich unbegründet« sei. Von den insgesamt 69 Demonstranten, die an diesem Tag festgenommen wurden, sitzt nur noch der Anarchist Wasilis Stergiou in Untersuchungshaft. Er soll offensichtlich als einziger Verhafteter, der kein Student ist, exemplarisch abgeurteilt werden. Nach dem Ende des Gefängnisaufstandes in der vergangenen Woche wurden er und der anarchistische Gefangene Nikos Koundaras im Athener Gefängnis Korydallos in Einzelisolation gesteckt.

ralf dreis