Vorbildliche Vorbilder

Was haben KSK, GSG 9 und die nationalsozialistische »Division Brandenburg« gemeinsam? Der GSG 9-Gründer, ein Bundeswehrgeneral i. R. und ein ehemaliger Regimentskommandeur der Wehrmacht haben die Antwort gefunden. von peer heinelt

Die Kommandosoldaten des KSK wissen genau, wo ihre Wurzeln liegen«, schreibt Brigadegeneral a. D. Reinhard Günzel, in seinem gemeinsam mit Ulrich Wegener und Wilhelm Walther herausgegebenem Buch »Geheime Krieger«. Günzel, der bis zum Jahr 2003 Kommandeur des Kommandos Spezialkräfte (KSK) war, ist immer wieder für einen kleinen Skandal gut. Hatte er während seiner aktiven Dienstzeit von seinen Mannen eine »Disziplin wie bei den Spartanern, den Römern oder bei der Waffen-SS« gefordert, solidarisierte er sich später mit dem damaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann, der zum Tag der deutschen Einheit 2003 eine mit antisemitischen Klischees versetzte Rede gehalten hatte.

Die Unterstützung Hohmanns führte zum jähen Ende von Günzels militärischer Karriere. Nun, im Ruhestand, beschäftigt sich der Mann mit den »Wur­zeln« seiner »Eliteeinheit«, und die liegen, wer hätte es gedacht, bei der »Division Brandenburg«. Diese war eine auf Sabotage, psychologische Kriegsführung und Partisanenbekämpfung speziali­sierte Sondereinheit der Wehrmacht. »Die Einsätze der ›Brandenburger‹«, schreibt Günzel, »gelten in der Truppe« – gemeint ist das KSK – »als geradezu legendär.«

Ähnlich sieht das auch General a. D. Ulrich Wege­ner, der Anfang der siebziger Jahre die »Grenzschutzgruppe 9« (GSG 9), eine für den »Antiterrorkampf« vorgesehene Spezialeinheit der Bundespolizei, aufbaute. Damals machte er sich nach eigener Aussage »über ähnliche Einheiten kundig, die während des Zweiten Weltkriegs Kommandoaktionen durchgeführt hatten«, wobei ihm die Einsätze der »Division Brandenburg« als »besonders interessant« erschienen. Diese Ansicht teile er insbesondere mit den »jüngeren Offizieren der israelischen Armee« und den »britischen Kameraden« des Special Air Service (SAS); hier habe man den »soldatischen Leistungen Deutschlands – vor allem denen der Wehrmacht« stets eine »hohe Wertschätzung« entgegengebracht und »voller Hochachtung« über die »deutschen Kommandoverbände des Zweiten Weltkriegs« gesprochen, schreibt Wegener im Buch.

Zu den angeblich bei Freund wie Feind hochgeschätzten »Leistungen« der »Division Brandenburg« zählt auch der Überfall auf die ostgalizische Stadt Lwów (Lemberg), den Günzels und Wegeners Koautor Wilhelm Walther, einst selbst ein »Brandenburger« und später Stabschef bei SS-Obersturmbannführer Otto Skorzeny, in dem Buch schildert: »Das I. Bataillon der ›Brandenburger‹ wird in der Nacht vom 29. auf den 30. Juni 1941 unter Führung von Major Friedrich-Wilhelm Heinz auf Lemberg angesetzt, bevor in der Frühe der Hauptangriff gegen die polnisch-ukrainische Stadt geführt werden soll. Verstärkt werden die ›Brandenburger‹ durch das Legionärsbataillon ›Nachtigall‹, das überwiegend aus freiwilligen, ortskundigen Ukrainern besteht. Dieses Bataillon stürmt – nachdem deutsche Spähtrupps über Massenerschießungen von Stadtbewohnern berichtet hatten – den Männern von Major Heinz voran in die Stadt. Den ›Brandenburgern‹ gelingt es u. a., die von den Sowjets in Brand gesetzte Lemberger Kathedrale (…) zu löschen, wertvolle Kirchenheiligtümer zu retten und den im Kirchenraum eingeschlos­senen Bischof zu befreien. Am Morgen des 30. Juni werden die deutschen Verbände unter stürmischem Jubel der Stadtbevölkerung empfangen.«

Was nicht in dem Buch steht: Noch am selben Tag begannen »Brandenburger«, SS-Einsatzkommandos und ukrainische Nationalisten damit, die jüdischen Einwohner Lwóws zu ermorden; nach Angaben der »Enzyklopädie des Holocaust« fielen ihrer barbarischen Raserei in kürzester Zeit 4 000 Menschen zum Opfer. Um die Bevölkerung auf das Massaker einzustimmen und zum Mitmachen anzuregen, hatten Deutsche und Ukrainer zuvor das Gerücht verbreitet, Juden seien in die Hinrichtung von politischen Gefangenen durch den sowjetischen Inlandsgeheimdienst NKWD involviert gewesen.

Das von Günzels und Wegeners Freund Wilhelm Walther hochgeschätzte Bataillon »Nachtigall« war an alldem maßgeblich beteiligt. Es stand unter Leitung von Theodor Oberländer, der es in Westdeutschland später bis zum Vertriebenenminister brachte. Das Oberste Gericht der DDR verurteilte Oberländer im Jahr 1960 nach einem internationales Aufsehen erregenden Prozess unter anderem wegen der Untaten seines Bataillons in Abwesenheit zu lebenslangem Zuchthaus, was schließlich die Entlassung des Ministers in der BRD zur Folge hatte.

Günzel und Wegener bewundern aber nicht nur die militärischen »Leistungen« der »Brandenburger«, sondern insbesondere deren ausgeprägten »Korpsgeist«. Dieser sei das »geistige Korsett des bewaffneten Mannes«, der als KSK-Soldat einem »Elite-Orden« angehöre, schreibt Günzel. Wie wichtig »Kameradschaft und Korpsgeist« seien, könne man »vor allem bei den ›Brandenburgern‹ studieren«, meint auch Wegener. Seiner Ansicht nach werden diese zentralen »soldatischen Tugenden« allerdings zunehmend dem »linken Zeitgeist« geopfert: »Die Männer der GSG 9 riskieren ihr Leben für die Sicherheit der Bürger dieses Staates – eines Staates, in dem Begriffe wie Pflicht, Leistungsbereitschaft, Kameradschaft und Tradition nur noch in Sonntagsreden hochgehalten werden.«

Wahrscheinlich war es ihre Opposition gegen den Zeitgeist, die Günzel und Wegener bei der Suche nach einem Verleger bei Dietmar Munier anklopfen ließ; zu dessen Firmenimperium gehört nach Angaben des Verfassungsschutzes neben dem extrem rechten Arndt- auch der Pour-le-Mérite-Verlag, in dem »Geheime Krieger« erschienen ist.

Wie Günzel der Deutschen Militärzeitschrift verriet, sind sich die in Afghanistan aktiven Soldaten des KSK darüber im Klaren, dass sie »nicht den ersten deutschen Kommando-Einsatz auf afghanischem Boden« leisten. Er spielt damit auf das »Unternehmen Tiger« im Jahre 1941 an, das dazu dienen sollte, in Kabul einen Stützpunkt für geheimdienstliche Aktionen gegen Britisch-Indien einzurichten. Einer der dabei zu Tode gekommenen »Brandenburger«, Manfred Oberdörffer, wurde auf dem europäischen Friedhof der afghanischen Hauptstadt beigesetzt; sein Grab werde heute von den »Kameraden des KSK« gepflegt, ist der Deutschen Militärzeitschrift zu entnehmen.