Anti-Riot Master Blaster

Nicht nur die Linke, auch der Staat bereitet sich auf die Proteste gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm vor. von thorsten mense

Die Polizei will nichts dem Zufall überlassen. Auf dem 10. Europäischen Polizeikongress im Februar in Berlin betonte Frank Niehörster, der Leiter der Abteilung Polizei im Innenministerium von Mecklenburg-Vorpommern, »dass schon die kleinste Störung im Protokollablauf nicht nur unser Bundesland, sondern die gesamte Bundesrepublik in den Fokus weltweiter Kritik bringen könnte«. Um das zu vermeiden, steht der »größte Polizeieinsatz in der Geschichte der Bundesrepublik« bevor, wie allenthalben bekräftigt wird.

Von der Zahl her dürften die Demonstranten im Juni klar im Vorteil sein. Sollte auch nur die Hälfte der angekündigten 100 000 Protestler nach Heiligendamm kommen, wären sie gegenüber den 16 000 eingesetzten Polizisten immer noch im Vorteil. Insgesamt sollen in der ganzen Republik 35 000 Polizisten im Einsatz sein.

Was die Ausrüstung betrifft, stehen die Beamten jedoch erheblich besser dar. Neben Räumpanzern und Wasserwerfern soll einem Bericht der Bild-Zeitung zufolge auch der »LRADS-Master Blaster« eingesetzt werden. Die Schallkanone, die nach dem Bericht bereits im Irak-Krieg eingesetzt wurde, kann zielgenau sehr schrille Töne aussenden, was bei den beschallten Personen unerträgliche Schmerzen verursachen soll. Über die Wirksamkeit der Waffe ist sich die Zeitung sicher: »Verjagt jeden Chaoten.«

Aber nicht nur vor den neuesten Hightech-Waffen sollten sich die Demonstranten in Acht nehmen. Wenn das Pfefferspray nichts nützt, »dann muss der Gewalttäter halt das Migränestöckchen spüren. Bis ihm die Lust auf Randale und Gewalt vergeht«, schreibt jemand unter dem Pseudonym »Maure« auf »Copzone«, einem Internetforum für Polizisten. Der User »Superschnucki« stimmt dem zu: »Und wenn das Pack auf einen losgeht, wird eben mit voller Härte dagegen angegangen.« Ein gewisser »Loewe« ist vom »kompromisslosen« Vorgehen der dänischen Polizisten während der Räumung des besetzten Hauses »Ungdomshuset« in Kopenhagen beeindruckt: »Vielleicht werden wir im Sommer wehmütig an die Dänen denken, wenn in Heiligendamm der G8-Gipfel und die Schlacht drumherum tobt.«

Ob es zur »Schlacht« wirklich kommt, wird sich zeigen. Offiziell sehen die Behörden keine große Gefahr auf die Teilnehmer des Gipfels zukommen. Der Präsident des Verfassungsschutzes, Heinz Fromm, erwartet nur noch an die 50 000 Demonstranten. Zwar sei es »nicht auszuschließen, dass es während des Gipfels bei Demonstrationen auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommt«, jedoch gebe es »keine Hinweise darauf, dass der Gipfel selbst gestört werden könnte«, sagte er der Netzeitung.

Sorge bereite ihm aber die »militante Begleitkampagne« aus dem linksextremistischen Spektrum. Seit dem Jahr 2005 seien bisher 19 Brandanschläge im Zusammenhang mit dem Gipfeltreffen verübt worden. Die erste militante Aktion fand bereits im Oktober 2005 statt. Ein Pavillon des Auswärtigen Amts, der für die Unterbringung von Gästen des G8-Treffens gedacht war, ging damals in Berlin in Flammen auf. In mindestens zwei Fällen ermittelt nun das Bundeskriminalamt nach dem altbewährten Paragrafen 129a wegen »Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung«.

»Eine abschließende Prognose über zu erwartende Gewaltbereitschaft und -formen kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht gegeben werden«, heißt es im Informationsheft der polizeilichen G8-Sondereinheit »Kavala«. Trotzdem wird dort ausführlich über »Briefbombenanschläge«, »Plünderungen« und »Brandstiftungen« bei vorangegangenen Gipfeltreffen als Folge einer »großen internationalen Mobilisierung« berichtet. In der vergangenen Woche forderte die Polizei in einem Informationsblatt Rostocker Einzelhändler schon einmal dazu auf, während der Proteste auf die »Präsentation hochwertiger Waren in den Schaufenstern« zu verzichten.

Die Betonung der Gefahr von links hat seinen Sinn, denn besser wären die polizeilichen Maßnahmen vor dem G8-Gipfel nicht zu rechtfertigen. Bereits drei Wochen vor dem Beginn der Nato-Sicherheitskonferenz etwa durchsuchte die Münche­ner Polizei im Januar in einer groß angelegten Aktion elf linke Projekte und Privatwohnungen und ein Jugendzentrum in Erlangen. Der Grund war die »öffentliche Aufforderung zu Straftaten«. Auf Plakaten und in der Broschüre »In Bewegung bleiben« soll zur »Erstürmung« des Flughafens Rostock-Laage aufgerufen worden sein, was den Tatbestand von »Hausfriedensbruch« und »Nötigung« erfülle. Wegen des Aufrufs zu Blockaden wollte der Staatsschutz ebenfalls im Januar auch die dritte Ausgabe der Protestzeitung G8Xtra beschlagnahmen lassen, was die zuständige Ermittlungs­richterin jedoch ablehnte. Dabei stehen die angekündigten Massenblockaden auf der Internetseite der Polizei von Mecklenburg-Vorpommern sogar unter der Rubrik »angemeldete Veranstaltungen«.

Wie auf der Seite der Demonstranten will auch auf der anderen Seite des Zauns jede Grup­pe mit dabei sein. Die Bundespolizei wird mit 2 000 Beamten, darunter auch die Antiterror-Einheit GSG 9, die Polizei unterstützen. Das Bundeskriminalamt stellt 1 000 Mitarbeiter ab. Auch die Bundeswehr wird mit Marinebooten, Aufklärungsflugzeugen und über 1 000 Soldaten und zivilen Mitarbeitern dabei sein. Diese militärische Unterstützung ist nach Ansicht von Ulla Jelpke, der innenpolitischen Sprecherin der Linksfraktion, gar nicht notwendig. »Es geht vielmehr darum, die Öffentlichkeit daran zu gewöhnen, dass uniformierte Soldaten im Inland Aufgaben erfüllen«, meint sie. Das Grundgesetz verbietet noch immer den Einsatz von Soldaten im Inneren, weshalb die Aktion offiziell als »zivil-militärische Zusammenarbeit« bezeichnet wird. Nach Angaben der Bundesregierung sollen die Soldaten dabei möglichst nicht »in erster Reihe im Straßenbild« in Erscheinung treten.

Bei anderen Sicherheitsmaßnahmen zum G8-Gipfel war die Linkspartei nicht ganz so kritisch. Im Juni 2006 verabschiedete der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern ein neues verschärftes »Sicherheits- und Ordnungsgesetz«, eingebracht von der SPD und der Linkspartei, die damals in dem Bundesland noch gemeinsam regierten. Das Gesetz gibt den Sicherheitskräften in der Überwachung von Kommunikation und öffentlichen Plätzen viel mehr Spielraum als bisher. Darunter fällt unter anderem das automatische Erkennen und Abgleichen von Kfz-Kennzeichen und die Überwachung des Mobilfunkverkehrs mit den so genannten IMSI-Catchern. Demonstranten, die dem Aufruf der Linkspartei zu den Protesten gefolgt sind, könnten also mit Erlaubnis der Partei auf jedem Schritt überwacht werden.