Filbinger denkt weiter

Der Skandal um Oettinger hat auch das rechte Studienzentrum Weikersheim ins Gerede gebracht. Hier reichen sich Konservative und Rechtsextremisten die Hand. von christopher altgeld

Dorothea Beetz muss sich auf die Suche nach einem anderen Arbeitsplatz machen. Die 26jährige Politikerin der CDU, die im Mann­heimer Stadtrat sitzt, wird nun doch nicht Referen­tin des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU). Als bekannt wur­de, dass sie Mitglied des Studienzentrums Weikers­heim ist, gab es heftige Kritik an der Personalentscheidung Oettingers gegeben.

Am Wochenende gab Beetz bekannt, dass sie auf die Stelle verzichte. Aus dem Studienzentrum ist sie auch ausgetreten. In einer Erklärung stilisierte sie sich zum Opfer einer Medienkampagne: Die Berichterstattung sei »in wesent­lichen Teilen unrichtig, unfair und vor allem persönlich verletzend« gewesen. Sie habe dazu ­geführt, »dass ich nicht mehr in der von mir als nötig erachteten inneren Freiheit und Unbefangenheit diese für mich vorgesehene Aufgabe erfüllen kann«.

Viele Weikersheimer jammern gerade auf diesem Niveau. Bernhard Friedmann, der Präsident des Studienzentrums, sieht die rechte »Denk­fabrik« als Opfer einer »unsäglichen Hetzkampagne«, wie es sie »bisher nur in totalitären Staaten« gegeben habe. Das Vorstandsmitglied Klaus Hornung (CDU) spricht in der aktuellen Ausgabe der neurechten Wochenzeitung Junge Freiheit gar von einer »Hexenjagd« von »historischem Ausmaß« und bezichtigt seine Partei der »Furcht und Feigheit«.

Der Unmut darüber, dass der baden-württember­gische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) doch noch seine Aussage zurücknehmen musste, der verstorbene NS-Marinerichter Hans Filbinger sei ein »Gegner« des national­sozialistischen Regimes gewesen, ist unter den Weikersheimern groß. Schließlich hat man jahrelang auf die Rehabilitation des gestürzten Ministerpräsidenten hingearbeitet. Oettingers inzwischen versetzter Reden­schreiber Michael Grimminger war selbst lange Zeit Assistent des Weikersheimer Chef­ideologen Günter Rohrmoser, eines Vertrau­ten Filbingers. Stattdessen beginnt sich die Öffentlichkeit für die Verbindungen von CDU-Mitgliedern zum Studienzentrum und zur extremen Rechten zu interessieren.

Weil diese bekanntlich gut sind, hat Fried­mann bei seiner Amtsübernahme im Jahr 2003 angekündigt, das Studienzentrum näher an die Union heranzuführen. Derzeit sind elf von 13 Mitgliedern des Präsidiums auch Mitglieder der CDU – darunter Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm und der ehemalige Bundestagspräsident Philipp Jenninger.

Von einer Distanz zum extrem rechten Spektrum kann aber keine Rede sein. So veröffentlichte etwa das Präsidiumsmitglied Stefan Winckler mit dem Anti-Antifa-Vordenker Hans-Helmuth Knütter, selbst Referent beim Studienzentrum, im Jahr 2002 das »Handbuch des Linksextremismus« im rechten Leopold-Stocker-Verlag. Weitere Bücher publizierte er unter anderem mit der Neonazi­anwältin Gisa Pahl und mit Judith Wolter von der rechtsex­tremen Initiative »Pro Köln«.

Hornung, der zuvor selbst Präsident des Studienzentrums war, schreibt für neurechte und rechtsextreme Publikationen und ist als ständiger Mitarbeiter der Jungen Freiheit tätig. Er ist Mitglied in diversen ultrarechten Organisationen und warnt beispielsweise vor der »Machtergreifung eines neuen antifaschistischen Tugendterrors«.

Der Geschäftsführer des Studienzentrums, Ronald Schrumpf, unterstützte im Jahr 2003 den ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann. Er fühle sich ihm, der für eine mit antisemitischen Klischees gespickte Rede in die Kritik geriet, verbunden, da er »authentisch christliche Positionen« vertrete. Friedmann forderte Hohmann nach dem Parteiausschluss auf, »umgehend einen Antrag auf Wiederaufnahme in die CDU-Fraktion zu stellen«. Er hat kein Problem damit, als Redner bei Vereinigungen wie der »Stimme der Mehrheit« aufzutreten.

Schlecht gespielt wirkte angesichts dessen seine Verwunderung darüber, dass die Unterorganisation Jung-Weikersheim (für Mitglieder unter 40 Jahren) für den 20. April den Brigadegeneral a. D. Reinhard Günzel zu einer Tagung nach Stuttgart einladen wollte. Dieser wurde 2003 vom Posten des Kommandeurs des Kommandos Spezial­kräfte (KSK) entlassen, weil er öffentlich die Rede Hohmanns verteidigt hatte. Hohmann selbst sollte nach Pressemeldungen im August auf einer Veranstaltung in Göttingen sprechen.

Man wird jedoch seiner Bedeutung für den deut­schen Konservatismus nicht gerecht, würde man das Studienzentrum schlicht als rechtsextremen Think Tank abtun. Seit der Gründung im Jahre 1979, auf Initiative von Filbinger, hat man sich dort dem Kampf gegen eine vermeintliche linke Meinungsherrschaft und die angeblich herrschen­de Tabuisierung des Konservativismus verschrieben. Der »Chefdenker« Rohrmoser steht für diese ideologische Ausrichtung. Der selbst ernannte »Sozialphilosoph« und ehemalige Berater von Franz-Josef Strauß und Filbinger vertritt die Meinung, die »Kulturrevolution« der 68er-Bewegung und der Kritischen Theorie habe zu einer »konsequenten Entnationalisierung« und Zerstörung der Werte geführt. Daher hat er das Ziel einer »geistig-moralischen Wende« ausgegeben, die an das anschließen müsse, »was ursprünglich die CDU als ihren Geist erfüllt« habe.

Mit dieser Ausrichtung hat das Studienzentrum eine wichtige verbindende Funktion zwischen neurechten Ideen und dem deutschem Konservatismus. Wäre das schwäbische Studienzentrum eine reine Ideenfabrik des Neonazismus, hätte es nie die herausragende Bedeutung erreichen können, die es für die baden-württembergische CDU und den rechten Flügel der Bundespartei besitzt. Nicht zuletzt ist der Think Tank mit seinen über 400 Mitgliedern seit der Gründung auf seine zahlreichen Förderer aus Wirtschaft und Politik angewiesen. Die Veranstaltungen des Studienzentrums finden außer im Schloss Weikersheim regelmäßig an prestige­trächtigen Orten wie der baden-württembergischen Landesvertretung in Berlin oder in den Räumen der Deutschen Bank und der Allianz AG statt.

Einen Trennungsstrich nach rechts ziehen die Weikersheimer aber nicht. Und das, obwohl mitt­lerweile selbst Oettinger festgestellt hat, dass die Vorträge ultrarechter Referenten nicht so gut fürs Image sind. Kürzlich mahnte er das Studienzen­trum, sich von »Kräften jenseits des demokratischen Spektrums unserer Werte- und Verfassungs­ordnung« abzugrenzen.

Deutlichere Forderungen, wie die eines baden-württembergischen Landtagsabgeordneten der SPD, Oettinger solle »einen Unvereinbarkeits­beschluss durchsetzen zwischen der Mitgliedschaft in seiner Partei und der Mitgliedschaft im Studien­zentrum«, dürften bei ihm kaum Gehör finden. Noch weniger kommt für ihn die vom Zentralrat der Juden und von der SPD-Vorsitzenden in Baden-Württemberg, Ute Vogt, geforderte Schließung des Studienzentrums in Betracht. Da könnte er ja gleich den ganzen Landesverband der CDU dicht machen.