Im T-Streik

Ausstand bei der Telekom von stefan wirner

Da war es auf einen Schlag beendet, das Gerede darüber, dass auch die Lohnabhängigen etwas vom Aufschwung spüren müssten. Als sich in der vorigen Woche 96,5 Prozent der zur Urabstimmung aufgerufenen Beschäftigten der Telekom für einen Streik ausgesprochen hatten, waren allenthalben wieder die alten Phra­sen zu vernehmen. Viele Politiker kritisierten die Entscheidung und warnten die Gewerkschaft Verdi.

Der Wirtschaftsfachmann Rainer Wend von der SPD meinte: »In so einer Situa­tion ist ein Arbeitskampf keine Hilfe.« Für den Arbeitsmarktexperten der CSU, Max Strau­binger, ist der Streik »der falsche Weg«, und Rainer Brüderle von der FDP empörte sich gar, der Streik sei »in jeder Hinsicht verantwortungslos«.

Viele Zeitungen sahen das ähnlich. Matthias Loke von der Berliner Zeitung war sich sicher, die Telekom müsse »jetzt sparen, um wettbewerbsfähig zu werden und die Gewinnerwartung der Aktionäre zu erfüllen«. Er hatte die Frankfurter Allgemeine Zeitung nicht gelesen: »Immerhin hat die Hauptversammlung gerade eine Rekorddividende von drei Milliarden Euro bewilligt.«

Die Süddeutsche Zeitung gab Heuschre­cken-Alarm: »Scheitert Obermann, dann droht ein Horrorszenario für die Beschäftigten. Denn übernähme eine Heuschrecke das Kommando, dann müssten sie wohl nicht mehr gegen Lohnabstriche, sondern eine Zerschlagung der Telekom demonstrieren.« Dass sich für das Gros der Beschäftigten die Bedingungen auch unter einer deutschen Unternehmensführung verschlechtern, interessiert angesichts der Gefahr aus der Insektenwelt wenig.

Der Streik richtet sich gegen die Ausgliederung von 50 000 Mitarbeitern der Telekom, die in Subunternehmen beschäftigt werden sollen. Dort sollen sie u.a. vier Stunden pro Woche länger arbeiten und auf neun Prozent ihres Einkommens verzichten. Unter Berücksichtigung aller Maßnahmen, also etwa auch der leis­tungs­abhängigen Bezahlung und neuer Arbeitszeitregelungen, kommen Fachleute von Verdi auf eine Lohnsenkung von 40 Prozent. (Jungle World, 19/07)

Aber es ist wie so oft, wenn gestreikt wird in Deutschland: Seit’ an Seit’ machen Medien und Politik Stimmung gegen die Streikenden. Ausführlich wird da­rüber berichtet, wie sehr der Ausstand die Bevölkerung behindern könnte, dass er den Aufschwung gefährde, ja »den Wirtschaftsstandort Deutschland«, wie Brüderle halluziniert. Weniger Aufmerksamkeit erhalten dagegen die Streikenden mit ihren Problemen. Der Streikleiter Ado Wilhelm klagt in Bild am Sonn­tag über Einschüchterungen, Handykontrollen und Prämien für Streikbrecher. 300 Euro biete der Konzern jedem, der nicht am Streik teilnehme.

Gegen die Front, in die sich der Konzern, dessen größter Aktionär nach wie vor der Bund ist, die Politik und viele Me­dien einreihen, dürfte Verdi sich schwer tun. Wahrscheinlich ist, dass sich die Führung der Gewerkschaft am Ende mit einem jener miesen Kompromisse zufrieden gibt, die die Abschlüsse der vergangenen Jahre kennzeichnen und die regelmäßig als große Erfolge gefeiert wurden. Es wäre nicht das erste Mal, dass mit kämpferischen Posen in den Streik gezogen und dann der schnelle Ausstieg auxs dem Konflikt gesucht wird. Die »ausgelagerten« Beschäftigten hätten dann, wie viele andere Lohnabhängige, auch endlich was vom Aufschwung: einen Job im Niedriglohnsektor.