Mer wolle keine Moschee in Kölle

Ralph Giordano spricht sich gegen Moscheen in Deutschland aus und kritisiert das »großzügige Ausländerrecht«. von pascal beucker

Die Friedenskirche im Stadtteil Ehrenfeld steht nur wenige Minuten Fußweg entfernt von der geplanten neuen repräsentativen Moschee. Unter dem Titel »Was uns verbindet« soll in dem protestantischen Gotteshaus an diesem Samstag eine »Diskussion über Frieden, Toleranz und Menschenwürde« stattfinden. Sie gehört zum Rahmenprogramm des derzeit das katholische Köln erschüt­ternden Evangelischen Kirchentags. Als Diskutanten eingeladen hat das »Kultur-Forum Türkei Deutschland« neben zwei Pfarrern noch die SPD-Bundestags­abgeordnete Lale Akgün, den Journalisten Gün­ter Wallraff sowie den Schriftsteller Hüseyin Erdem, Gründungsvorsitzender des kurdischen Pen-Zentrums. Und Ralph Giordano. Er wird nicht kommen. Der Brief, mit dem der 84jährige Publizist seine Ab­sage mitteilte, hat das säkulare linksliberale Kultur-Forum überrascht.

Dessen Ehrenvorsitzende, die Schriftsteller Yasar Kemal und Günter Grass, den eine lange politische Freundschaft mit Giordano verbindet, mussten ungläubig zur Kenntnis nehmen, dass dem Publizisten schon das »auf eine falsche Harmonie« getrimmte Motto nicht passte: »Viel wichtiger als Was uns verbindet ist Was uns nicht verbindet.« So habe er denn auch »keine Lust, mich mit Leuten zusammen­zusetzen«, schreibt Giordano weiter, »die die übliche Beschwichtigungs- oder Ableugnungsrhetorik auffahren, wenn es um die wunden Punkte geht«. Die reichen für ihn von den »in der Islamkultur verankerten ›Ehrenmorden‹« über die »zahllosen Facetten grundgesetzwidriger Wirklichkeit in den muslimischen Parallelgesellschaften«, über Hassprediger, Antisemitismus und irrationale Israel-Feindschaft bis zu »klammheimlichen und offenen Sympathien für den Terror aus dem Islam«.

Darüber hinaus sei er »angesichts gescheiterter Integration« gegen den Bau der neuen, von den Köl­ner Kirchenbaumeistern Gottfried und Paul Böhm entworfenen Moschee in Ehrenfeld, weil dies eine »Provokation« sei: »Was sich da in Deutschland tut – Moscheen schießen wie Pilze aus der Erde –, beunruhigt mich aufs tiefste.«

Und außerdem, so fügt er hinzu: »In meinen Augen war die Türkei nie Europa, ist es nicht und wird es nie sein.« Diese »Suada«, so endet Giordano, sei »so etwas wie der Vorbote jener öffentlichen Kritik am Islam, die die Publizistik meiner restlichen Tage bestimmen wird«. Genau ein solcher publizitischer »Vorbote« ist das der Jungle World vorliegende Schrei­ben, datiert vom 27. Januar dieses Jahres. Es gibt Sätze, die riechen etwas streng. Dieser gehört dazu: »Es sind Deutschlands großzügiges Ausländerrecht und seine bereitwillige Sozialhilfe gewesen, die es zum bequemen Aufenthaltsort für Terroristen gemacht haben.« Großzügiges Ausländerrecht, bereit­willige Sozialhilfe? Da haben wir wohl etwas nicht mitbekommen.

Auch dies müffelt schwer nach deutschem Stamm­tisch: »Die sich da empören, hier als Bürger zweiter Klasse behandelt zu werden, stammen aus Ländern, in denen Nichtmuslime sich freuen würden, wenn sie nur Bürger zweiter Klasse wären.« Zumal ja die stärksten Integrationshemmnisse »aus dem Integra­tionsreservoir selbst« kämen: »Mit der Existenz großer muslimischer Massen als Folge einer verfehlten Einwandererpolitik hat sich der Alte Kontinent, allen voran Frankreich, Großbritannien und Deutschland, ein Kuckucksei ins Nest gelegt, von dem niemand weiß, was ausgebrütet herauskommen wird.« Besonders originell sind solche »Erkenntnis­se« nicht. Nur ihr Autor ist neu: Ralph Giordano formuliert sie in seiner im März bei Kiepen­heu­er & Witsch erschienenen Autobiografie »Erinnerungen eines Davongekommenen«.

Allerdings ist darin nur wenige Seiten zuvor auch zu lesen, er definiere sich als »glaubenslosen Huma­nisten«, der jede Religion für einen »Menschheitswahn« halte. Sein Umgang mit Menschen sei indes unabhängig davon, ob sie glauben oder nicht: »Ich beurteile sie nicht nach ihrem Verhältnis zu Gott, ich beurteile sie nach ihrer Beziehung zum Menschen.« Wie das eine mit dem anderen zusammenpasst? Rational gar nicht. In der taz schrieb Robert Misik kürzlich: »Die Angstlust vor dem gefährlichen Moslem grassiert. Angesichts der internationalen Frontstellung zwischen ›dem Islam‹ und ›dem Westen‹, angesichts von ethnisch segregierten Einwandercommunites in Großstädten, von anatolischen Paschas, türkischen Jugendbanden und Kopftuchträgerinnen wähnt man neuerdings sogar in feingeistigen Schichten das Abendland in Ge­fahr. Auch mancher einstige Linksliberale klingt da gelegentlich, als wäre er heute in der NPD.« Eine sehr befremdliche Ent­wicklung.

Die Gelegenheit konnte sich die »Bürger­bewegung pro Köln« nicht entgehen lassen. Mitte Mai meldete die rechtsextreme Vereinigung, die es mit ihrer Hetze gegen Andersgläubige, Andersdenkende, Anderslebende bis zur Stadtratsfraktion gebracht hat, triumphierend: »Giordano auf pro-Köln-Kurs«.

Anlass war eine Sendung im Inter­netfernsehen des Kölner Stadt-Anzeigers. Zur Premiere von »Streit im Turm« hatte sich Chefredakteur Franz Sommerfeld das Thema Moscheeneubau ausgesucht. Aus gutem Grund: In seiner Autobiografie hatte Giordano – ganz hinten im Buch und von beinahe allen Rezen­senten unbemerkt oder unerwähnt – erst­mals seine Ablehnung einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht: »Der Stand der Integration jedenfalls rechtfertigt nicht die Inflation von Moscheen, die seit einiger Zeit in Deutschland hoch­schießen wie die Pilze, darunter Großmoscheen in Duisburg und Köln.«

Das Aufeinandertreffen mit Bekir Albo­ga, dem Dialogbeauftragten der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib), versprach also einen hohen Unterhaltungswert. Immerhin ist der vom türkischen Staat an der kemalistischen Leine geführte muslimische Dachverband Bauherr jener umstrittenen repräsentativen Kölner Moschee mit angeschlossenem Kulturzentrum.

Giordano erfüllte die Erwartungen: Das von CDU, SPD, Grüne, FDP und Links­partei im Stadtrat sowie den beiden Kirchen unterstützte Moscheeprojekt sei ein »Religions­ausdruck einer anderen, einer fremden Kultur«, verkündete Giordano. Er »begreife nicht, wie Stadträte und der Oberbürgermeister so etwas legitimie­ren«. Schließlich gäbe es »kein Grundrecht auf den Bau einer zentralen Großmoschee«. Als Alboga sich auf das Grundgesetz, spe­ziell die Religions- und Meinungsfreiheit berief, erwiderte Giordano: »Die Argumen­tation kennt man ja: Sie setzen christlich-jüdisches Tradi­tions­gut gleich mit muslimischem. So geht das nicht.« Zudem seien dem Islam die Errungenschaften der abend­ländischen Kultur unbekannt.

Während in den folgenden Tagen ein Aufschrei der Empörung durch die Medien hallte, erlebte »pro Köln«-Chef Markus Beisicht den Auftritt Gior­danos mit Genugtuung: »Nach dem Motto von Clau­sewitz ›getrennt marschieren – vereint schlagen‹ vergrößern sich durch Giordanos profilierte Stellungnahme unsere Chancen, den Großmoschee-Bau verhindern zu können«, jubilierte der frühere Funktionär der Republikaner und der Deutschen Liga für Volk und Heimat. So änderten sich die Zeiten: »Bei aller seit Jahren offensiv gepflegten, profilierten Gegnerschaft, die zwischen Herrn Giordano und uns besteht, können wir doch feststellen, dass sich unsere Aktivitäten hervorragend ergänzen: Giordano nutzt seinen Medienzugang aus, den wir nicht haben, und wir können damit unseren Rückhalt in der Bevölkerung weiter ausbauen, den Giordano nicht hat.«

In welch unangenehme Nähe ihn seine Haltung gegenüber dem Islam im Allgemeinen und dem Kölner Moscheeneubau im Besonderen bringen könnte, war Gior­dano von Anfang an bewusst. Es sei »der Schulddruck aus der Nazizeit«, der solche Töne wie die seinen wie Kritik an »Ausländern« generell »eher ungewöhnlich sein lässt – aus Furcht, in die falsche, die neonazistische, rechtsextreme Ecke gestellt zu werden«, schreibt er in seinem Brief vom Januar. »Ich, der Hitlers Holocaust knapp entkommen ist, habe solche Berührungsängste nicht, weil ich gar nicht in den Verdacht kommen kann, die gleichen Ablehnungsmotive wie die zeitgenössische Variante des Natio­nalsozialismus zu haben.«

Auch bei seinem Internetfernsehauftritt titulier­te er Pro Köln so. Als jedoch nicht einmal diese plakative Distanzierung die rechte Partei von ihrem Vereinnahmungsversuch abbringen konnte, ging Giordano in der Bild-Zeitung noch einen Schritt weiter. Der »tiefbraune« Verein sei nicht nur die »lokale Parteivariante des zeitgenössischen Nationalsozialismus«, es handele sich um Leute, »die mich am liebsten in eine Gaskammer stecken würden, wenn sie könnten, wie sie wollten«. Das brachte das erwünschte Resultat: Pro Köln rückte von Giordano ab, Beisicht & Co. stellten einen Strafantrag wegen Beleidigung und Verleumdung gegen den Autor. Nach einer anwaltlichen Abmah­nung hat Giordano inzwischen mitteilen müssen, dass er diese Äußerung nicht mehr wiederholen werde.

Gleichzeitig sieht sich Giordano Morddrohungen ausgesetzt. Drohungen aus dem rechtsextremen Umfeld hat der Holocaustüberlebende und streitbare Publizist immer wieder erhalten – diesmal jedoch kommt der telefonische Terror aus dem Islamistenmilieu. Zunächst habe er die Anrufe gar nicht einordnen können, erzählte er Spiegel online. Denn die ersten Drohungen gingen bereits vor seinem Streitgespräch mit Bekir Alboga ein. »Ich habe nur verstanden: Allah, Moschee, Buch, tot?« Einschüchtern lässt er sich dadurch jedoch nicht.

Am Wochenende veröffentlichte Giordano im Kölner Stadt-Anzeiger ein »Manifest zur Verteidigung der Meinungsfreiheit«. Darin kritisiert er muslimische Verbände ebenso wie die »pro­fes­sio­nellen Multikulti-Illusionisten« und die »xenophilen Anwälte aus der linksliberalen Ecke«, die »gnadenlosen Verneiner berechtigter Ei­gen­interessen der Mehrheitsgesellschaft und Großverhinderer jeglicher realistischen Lagebeurteilung des Immigrantenproblems« seien.

Zugleich stellte er sich an die Seite »aller säkularisierten Muslimas und Muslime, die mit Reformen den Weg zu einer Integration frei machen wollen, die diesen Namen auch verdient«. Giordano sei »nicht gerade der Habermas unter den Argumenteträgern«, hat die FAZ seine jüngsten Interventionen kommentiert. Seine Argumente seien »oftmals Argumente aus dem Bauch heraus, er ist ein eiliger Denker, der es mit seinen Begründungen nicht so penibel nimmt, Hauptsache, eine Meinung steht«. Tatsächlich beschränkt sich Giordano zur Erhöhung der politischen Durch­schlagskraft bisweilen auf schlichte Schwarz-Weiß-Bilder. Im konkreten Fall hat er dadurch jedoch auch die bedenkenswerten Elemente seiner Islamkritik schlicht unter so viel wütender Polemik verschüttet, dass ihre Wahrnehmung schwer fällt. Ralph Giordano sind viele gute und wichtige Interventionen zu verdanken. Die derzeitige gehört leider nicht dazu.